Tonfrequenzen und nichtorganische Psychosen

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Zum Zusammenhang von Erschütterungen und nichtorganischen Psychosen im Kontext des Entenhausener Establishments

Torsten Gerber-Schwarzer / Christian Wessely

Abstract

Die Bewohnerinnen und Bewohner Entenhausens neigen nachweislich zur Nervolabilität bzw. werden von Psychosen geplagt, für die die Schulmedizin keine organische Erklärung findet. Dies äußert sich vorzugsweise durch Schreckhaftigkeit  unterschiedlicher Intensität oder durch Angstzustände, für die es keine oder nur unzureichende Erklärungen gibt. Behelfsweise wird oft mit Erschütterungen argumentiert – Erdbeben, Dritter Weltkrieg, Invasion vom Mars oder Weltuntergang sind nicht selten bemühte Erklärungsmodelle, die sich aber samt und sonders als haltlos erweisen.

Dieser Artikel soll schlüssig darlegen, dass die korrekte Erklärung ein perfider Mechanismus zur Machterhaltung ist. Was nämlich weder in Entenhausen selbst noch in der Forschungsliteratur bisher berücksichtigt wird, ist die Möglichkeit, dass diese Erschütterungen – also niederfrequente Schwingungen – von Teilen der Bevölkerung bewusst erzeugt werden, um etablierte Strukturen zu zementieren und den Großteil der Einwohnerinnen und Einwohner kontrollieren zu können.

Hierbei wird einerseits auf die Art der Schwingung und auf den Vorgang der Schwingungserzeugung einzugehen sein, aber auch auf die sinnreichen Selbstschutzstrategien einfallsreicher Einwohner, die sich dem zumindest teilweise entziehen.

Nervolabile Zustände in Entenhausen, exemplarisch, inkl. Strategien des Umganges mit denselben

Überreaktion und Nervenschaden, MM 20/1977, 28, Bild 5.

Beim Durchschnitts-Entenhausener sind nachweislich nervolabile Gemütszustände an der Tagesordnung, und das nicht etwa nur bei jäh hereinbrechenden Katastrophen wie furchterregenden Flutwellen, beängstigenden Beben oder wütenden Wirbelstürmen. Auch in ganz alltäglichen und objektiv eher harmlosen Situationen verliert der Entenhausener Bürger leicht die Fassung. So reicht z.B. bereits der bloße Anblick eines führungslos dahinrasenden Beiwagens aus, eine Dame in Ohnmacht sinken zu lassen. Was sie bemerkenswerterweise nicht davon abhält, zuvor noch schnell die Arztkostenfrage zu klären (Abb. 1).

Und das, obwohl sich besagte Dame bei genauerer Betrachtung nicht einmal in der Bahn des Beiwagens befindet und folglich objektiv gar nicht gefährdet ist – eine Überreaktion par excellence!

Ohne die Beschriftung „Durchgedreht!“ nicht als durchgedreht erkennbar? MM 39/1968, 6, Bild 6.

Ein anderes Beispiel für eine vollkommen überzogene Reaktion auf ein harmloses, alltägliches Ereignis bietet Abb. 2:

Ein Herr – wir erkennen, es ist Dipl.-Ing. Düsentrieb – sitzt in einem Baum und singt wie ein Vogel. Auf den Gesichtern der beiden männlichen Passanten zeichnet sich – soweit noch nachvollziehbar – Erstaunen ab sowie die Frage nach dem Warum.

Als die Antwort dann aber von einer sprechenden Maschine kommt, ist das Maß des Erträglichen voll. Von purer Panik ergriffen, suchen die Beiden in heilloser Flucht das Weite, das sie in der Tat auch finden.

Hier zeigt sich denn auch deutlich die Strategie, mit der die Entenhausener auf vermeintliche Bedrohungen reagieren: anstatt die Situation ruhig und kritisch zu analysieren, fliehen sie oftmals völlig kopflos. Die nachfolgenden Ausführungen sollen einen unkonventionellen, doch schlüssigen Erklärungsansatz für dieses irrational anmutende Verhalten offerieren.

Akustische Phänomene und ihre Randbedingungen

Dass akustische Phänomene in Entenhausen ganz allgemein auf Schwingungen beruhen, die mit körperlichen und geistigen Reaktionen gekoppelt sein können, hat Jacobsen bereits dargelegt.[1]  Nun funktionieren Musikinstrumente in Entenhausen im Wesentlichen wie die uns bekannten: durch Erzeugung von Luftschwingungen, die auf Wahrnehmungsorgane treffen, welche sichtbar oder unsichtbar am Körper angeordnet, aber grundsätzlich vorhanden sind.

Dies kann grundsätzlich leicht bewiesen werden.

a) Die Existenz von Ohren

Hier ist den Untersuchungen von Jacobsen und Hänsel (Untersuchung zur Ohromorphose) nichts hinzuzufügen,[2] nur zur Erinnerung die für diesen Beitrag wesentlichen Fakten :

Die Existenz von Ohren wird einerseits theoretisch behauptet (Abb. 5), andererseits werden diese ganz pragmatisch und sichtbar auch in ihrer Funktion gezeigt:

Deutlich erkennbare Ohren. TGDD 74, 63, Bild 3.

Auch Anatide haben Ohren, die als Wahrnehmungsorgane dienen, wenngleich sie in der Regel schwer zu erkennen sind. Diese Organe haben ihren Sitz im Kopf, verfügen über Öffnungen nach außen und Verbindungen zu den Verdauungsorganen (ein Faktum, das uns später noch zu beschäftigen hat):

Ohren nicht sichtbar, aber offenbar vorhanden. TGDD 135, 3, Bild 4.

Die von diesen Organen wahrgenommenen Schwingungen sind auch (mit)verantwortlich für seelisches Wohl- oder Unwohlbefinden:

Bestimmte Frequenzen sind nervenzerreissend. TGDD 72, 5, Bild 4.

Aber nicht jeder Schall ist hörbar bzw. hat Auswirkungen auf die Entenhausener und –innen. Es gibt offenbar Hörgrenzen. Schall in Grenzfrequenzen ist enorm unangenehm:

Am Übergang zwischen "normalem" und Ultraschall. TGDD 147, 30, Bild 8.

Schall jenseits der Hörgrenze hat physikalische Wirkungen, ist aber für die EntenhausenerInnen nicht mehr direkt, sondern nur noch mit Hilfe technischer Hilfsmittel wahrnehmbar:

Tiere können Ultraschall erzeugen, der für Personen nur mit technischen Hilfsmitteln wahrnehmbar ist. MM 7/1961, 7, Bild 5.

Nichtsdestoweniger sind audiovisuelle Geräte (notabene: eine KAMERA!) und die entsprechenden Übertragungsmedien darauf ausgelegt, derartiges ohne besondere Vorkehrungen zu übertragen:

Kameras (sic!) sind so konstruiert, dass sie Schall ausserhalb der Hörgrenze übertragen können. TGDD 39, 15, Bild 3.

Damit ist klar, dass erhebliche Entwicklungsarbeit in Übertragungskapazitäten gesteckt wurde, die für den vorgeblich einzigen Zweck des Mediums nicht erforderlich sind. Diese auf den ersten Blick unnötige Investition hat ihre Gründe, dazu später.

Auf Grund seiner beachtlichen physischen und psychischen Wirkungen bedient sich der Entenhausener des Schalls auch sehr häufig und gerne als Mittel zum Zweck. So öffnen Tonerzeuger unterschiedlichster Art Tresortüren auf die eine oder andere Weise:

Schallwellen als Öffnungscode. TGDD 71, 43, Bild 1.
Hohe Frequenzen richten Schäden vor allem in sehr hartem und sprödem Material an. TGDD 138, 20, Bild 2.

Schallwellen weisen auf Bodenschätze, z.B. Erdöllagerstätten hin und ermöglichen damit deren Erschließung.

Positives Echo.png

Schall stellt bisweilen eine willkommene Argumentationshilfe dar, wenn es gilt, das eigene Talent zu betonen.

Schall als Weg zum Ruhm. TGDD 13, 40, Bild 8.

Man bedient sich des Schalls als Mittel zur biologischen Schädlingsbekämpfung.

Hochfrequente dissonante Obertöne ("Aliquoten") vertreiben Un- und Geziefer. TGDD 72, 7, Bild 1.


Ebenso findet Schall Verwendung als Waffe im Rahmen der psychologischen Kriegsführung wie auch in Nachbarschaftskonflikten.

TGDD 40, 39, Bild 4. Die betreffende Geschichte - Nächtliche Ruhestörung - ist insgesamt eine Fundgrube für Schall im Einsatz in Nachbarschaftskonflikten.

Und schließlich wird Schall als Orientierungshilfe in unübersichtlichen Situationen eingesetzt.

Schall als Orientierungshilfe. TGDD 1, 49, Bild 8.

Wir halten fest:

Entenhausener sind mit Schall wohlvertraut und verfügen über ein Spektrum akustischer Wahrnehmung, das zwar breit ist, aber doch Grenzen aufweist. Ultraschall oberhalb des Hörfrequenzspektrums ist nachgewiesen, Infraschall unterhalb des Hörfrequenzspektrums kann berechtigterweise postuliert werden.

b) Die Existenz  von Musikinstrumenten und ihre Erzeugungstradition:

Donald Duck spielt recht und schlecht mehrere Instrumente oder bildet sich zumindest ein, dies zu können.[3] Konzertante Musik in Entenhausen ist klar nachweisbar.[4]

Instrumente zur Musikerzeugung im kleinen wie im großen Stil sind in Entenhausen gebräuchlich und auch übliche Handelsgüter, für deren Vertrieb es entweder entsprechende Etablissements gibt oder die sogar mit Methoden des Direkt-Marketing vertrieben werden:

Nicht nur Verkauf, sondern auch Verleih von Musikinstrumenten ist dokumentiert; die Entleiher müssen jedoch über Mindestqualifikationen verfügen. TGDD 138, 12, Bild 2.
Musikinstrumente unterschiedlicher Ausführung sind auch im Direktvertrieb zu bekommen. TGDD 78, 9, Bild 8.

Dabei sind Musikinstrumente in jeder Preislage zu haben. Eine Dampforgel wie die oben beschriebene kostet 22.000 Taler.[5] Allerdings gibt es auch Kleininstrumente wie Mundharmonikas (auf die kommen wir noch zurück), die achtlos weggeworfen werden, anstatt sie zu reparieren. Andererseits werden Instrumente auf Wunsch auch angefertigt, sofern sie nicht lagernd sind. Sogar in entlegeneren Gegenden gibt es einen Sofortservice für einfache Blasinstrumente:

Al Tutut.jpg

In Entenhausen selbst hingegen werden innerhalb weniger Werktage sogar ausgefallene Sonderkonstruktionen verwirklicht:

Spezialanfertigung: nicht bloß eine Dampforgel! TGDD 13, 44, Bild 2.

Eine derartige Konstruktion setzt hohes handwerkliches Können, Erfahrung, Fertigungstradition und lagernde Spezialteile voraus. Wie jede Handwerkstradition birgt auch diese wohl mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Familien- und Betriebsgeheimnisse, die an Außenstehende nicht weitergegeben und nur zur Erhaltung einer Exklusivstellung genutzt werden.

Fazit: Die Entenhausener haben eine lebendige Tradition in Bau und Gebrauch von Klangerzeugern und sind dafür nicht auf Importe angewiesen.

Enten im Aufwind, Teil I

In meinem Beitrag über das kultur- und religionsgeschichtliche Deutungspotential des Entenhausener Münsters[6] habe ich dem Thema der „riesigen Orgel“ nur ein kurzes Unterkapitel gewidmet. In der Sachdiskussion mit Kolleginnen und Kollegen wurde – insbesondere im Austausch mit Torsten Gerber – bereits erörtert, dass die Größe der Pfeifen in keinem Verhältnis zur Größe des Hauptspieltisches steht (es könnte theoretisch an anderen Stellen noch weiter Spieltische geben, aber die können höchstens gleich groß sein wie der Hauptspieltisch).

In der Geschichte rund um das Münstermännchen wird gezeigt, dass der Luftstrom in einer großen Orgelpfeife die Ducks zum Schweben bringt. Im Hinblick auf die Dimensionen der Orgel habe ich an anderer Stelle bereits ausgeführt, dass – musikalisch betrachtet – die Münsterorgel dem Prunkbau völlig unangemessen ist, egal, ob man sich der These meines verehrten Widerredners Uwe Wackerhagen von einer zeitnahen Entstehung des Baues,[7] der des Münsterpioniers Ernst Horst von postapokalyptischen Rahmenbedingungen[8] oder meiner eigenen natürlich wesentlich besseren These von einer Gründung im späten 16. Jahrhundert anschließt. Für einen Bau dieser Größe wäre ein Instrument von 90 Registern auf 4 Manualen mit Vollpedal vorauszusetzen, damit ein befriedigender Konzertbetrieb möglich ist (von einer aktuellen liturgischen Nutzung gehe ich weiterhin nicht aus).

Die These, dass es sich bei dem nachgewiesenen Instrument um eine kleine Nebenorgel handeln könnte, ist nicht haltbar, denn die anderen möglichen Orgelstandorte des Münsters sind gut dokumentiert und nicht mit einem Instrument besetzt. Es ist daher das Haupt-, u.U. sogar das einzige Instrument in diesem Bau, es sei denn, man würde über die Existenz eines organum fugiens, einer Fluchtorgel, spekulieren, die sich einem festen Standort verweigert und durch das Gebäude vaziert, eine Vorstellung, die sogar für Entenhausener Verhältnisse relativ wagemutig ist.

Nun wissen wir, dass die Münsterorgel ein Musikinstrument ist,[9] denn es wird Musik auf ihr gespielt:

Das hier gespielte Volkslied wird A. Schnezler zugeschrieben, der es um 1830 verfasst haben soll. TGDD 71, 63, Bild 4.

Die Musik ist mit einem Luftstrom verbunden. Da auch der Laie bzw. die Laiin weiß, dass dies ein bei Orgeln gebräuchliches Prinzip ist, klingt dies auf den ersten Blick völlig plausibel. Allerdings lohnt hier ein Blick auf die Tonerzeugung in einer klassischen Orgelpfeife.

Exkurs: Von Labialen und Lingualen

Um eine Schallwelle zu erzeugen – d.h. Luft in periodische Schwingungen zu versetzen – bedarf es einer Energiequelle, die ihrerseits einen Erreger in Schwingungen versetzt. Orgelpfeifen sind hier in einer Sondersituation. Sie arbeiten entweder mit den Interferenzen einer geteilten Luftsäule oder aber mit periodisch aufeinanderschlagenden Festkörpern. Ersteres sind die sogenannten Labialpfeifen, letzteres die Lingualpfeifen.

Tonerzeugung mit Labialen

In den Labialpfeifen, der bei weitem üblicheren Bauart, kommt ein Tonerzeugungsprinzip zum Einsatz, das die meisten Europäer von ihrer mehr oder weniger geliebten Blockflöte kennen.

Durch einen Luftspalt (auch Kernspalt) wird ein Luftstrom gezielt auf eine scharfe Kante geblasen und dadurch gezwungen, sich zu teilen. Bei dieser Teilung schreit er vor Angst auf, und dieser Angstschrei wird vom Ohr als Flötenton gehört.  Andere, schlechter belegte Thesen sprechen von einem periodischen Umschwingen des Luftstromes zwischen Pfeifeninnen- und –außenseite.

Funktionsprinzip und Luftführung der Labialpfeife. Bauer 1998, 88.

Hörbar wird der Ton, da die Flöte einen definierten Luftraum umschließt und dieser in einer Frequenz, die von Durchmesser und Länge des Hohlkörpers abhängt, in Schwingung gerät. Wesentlich sind hier noch Form und Querschnitt des Luftspaltes und Breite sowie Aufschnitthöhe des Labiums. Da eine Flöte bekanntermaßen Grifflöcher aufweist, kann der Luftraum nach Belieben durch Fingertechnik verkürzt bzw. verlängert werden; daher sind Variationen der Tonhöhe und ein Melodiespiel möglich. Jeder, der schon einmal mit einer Blockflöte experimentiert hat, weiß, dass es nur wenig Luftmenge und Luftdruckes bedarf, um das Instrument zum Klingen zu bringen. Massives Hineinblasen führt zu einem lauten, wesentlich höheren Ton, der üblicherweise einer gewissen Gefälligkeit entbehrt; die Luftmenge ist jedoch weiterhin durch Kernspalt begrenzt und kann daher im Flötenkörper kein allzu großer Luftstrom entstehen.

Eine Orgelpfeife der Labialklasse funktioniert auf exakt dieselbe Art, allerdings ohne Grifflöcher, sodass für z.B. ein Flötenregister pro Taste des Manuals je eine eigene Flöte – i.e. Pfeife – erforderlich ist.

An dieser Stelle wurde im Rahmen des Hamburger Kongresses zu einem Versuch geladen. Landarzt Gangolf S. – ausgestattet mit medizinisch gut gewarteter Lunge und ausreichender körperlicher Robustheit – wurde aufgefordert, eine Labialpfeife anzublasen, um dieser einen Ton zu entlocken.[10] Die Aufschnitthöhe war so groß wie möglich gewählt, um den optischen Rahmenbedingungen der Pfeifen der Münsterorgel so nahe wie möglich zu kommen. Das typische Lungenvolumen eines Menschen beträgt 3-4 l für einen Atemzug. Mit Hilfe einer Stoppuhr wurde in einer Reihe von Versuchen ermittelt, ob auf der Basis  dieses Lungenvolumens ein Ton erzielt werden kann und wie lange dieser zu halten ist. Insgesamt fünf Versuche ergaben drei hörbare Töne mit einer maximalen Haltezeit von unter 2 Sekunden. Wegen der zunehmend ungesunden Gesichtsfarbe des Probanden wurde danach die Versuchsreihe abgebrochen. Immerhin zeigt das Ergebnis, dass ein Ton so entsteht und mit relativ geringer Luftmenge auch zu halten ist.

Wie hinlänglich bekannt, gibt es zwei Bauweisen dieser Flöten: Eine, die in Längsrichtung geblasen wird, eine, die Querrichtung zu spielen ist. Erstaunlicherweise ist in Entenhausen bisher nur die Querflöte als Labialinstrument dokumentiert. In diesem Fall fungiert der Schnabel als Kernspalt  und die spielerabgewandte Seite des Anblasloches als Labium; ansonsten ist das Funktionsprinzip wie beschrieben.

Die dokumentierten Fälle von in Längsrichtung angeblasenen Flöten sind hingegen einem anderen Tonerzeugungsprinzip verpflichtet: dem der Lingualen.

Tonerzeugung mit Lingualen

Lingualpfeifen zeichnen sich durch eine völlig andere Form der Tonerzeugung aus. Analogien aus den üblichen Volksinstrumenten wären hier die Klarinette oder das Saxophon. Hier wird eine bewegliche Zunge passgenau auf eine längliche Öffnung in einem Festkörper gebracht und anschließend durch einen mechanischen Eingriff „aufgeworfen“, d.h. es wird ein leichter Spalt zwischen dem Festkörper (dem „Kern“) und der Zunge hergestellt, die dadurch und durch ihre werkstoffbedingte Elastizität frei schwingen kann. Die Schwingung ist auf der Kernseite allerdings durch diesen begrenzt. Wird ein solches Teil nun angeblasen, strömt – immer vorausgesetzt, die Teile sind richtig aufeinander abgestimmt – Luft durch den Spalt zwischen Kern und Zunge. Es entsteht ein Unterdruck, der die Zunge zur Spalte zieht und diese schließt. Dadurch bricht der Luftstrom ab, der Unterdruck flieht erschrocken in die Atmosphäre und die Elastizität der Zunge bringt diese in die Ausgangslage zurück.

Lingualpfeife mit aufschlagender Zunge: Aufbau und Querschnitt. https://www.die-orgelseite.de/pfeifenarten.htm


Die Tonhöhe hat in diesem Fall mit der Länge der „Pfeife“ nur mittelbar zu tun; sie wird primär von der freischwingenden Länge der Zunge determiniert. Wer schon einmal ein derartiges Instrument geblasen hat, wird bestätigen können, dass für einen lauten Ton zwar wesentlich mehr Druck als bei einem Labialinstrument, aber nicht wesentlich mehr Luftmenge erforderlich ist. Bedingt durch die notwendige Klangformung sind Labialinstrumente meist konisch (die Klarinette ist hier eine rühmliche Ausnahme, aber auch sie ist „konisch gebohrt“). Nun ist von den Flöten, die Donald spielt, dokumentiert, dass sie konisch sind, laut sind und hohen Druckes bedürfen (man beachte die aufgeblasenen Bäckchen):

Doppelrohrblatt im Einsatz. TGDD 5, 22, Bild 2.


Sachlich ist es übrigens völlig korrekt, dass Schlangen mit Lingualflöten beschworen werden; die in entsprechenden Kulturkreisen üblichen Verdickungen am oberen Ende der Instrumente sind die Kapseln für die Rohrblätter und eine Konzession daran, dass die Spieler nicht über den Vorzug eines Schnabels verfügen:

Sonderfälle dieser Lingualpfeifen wären Instrumente mit doppeltem Rohrblatt, wie Oboe, Fagott oder auch kultiviertere Instrumente wie dieses hier, das einfache (in den Bordunpfeifen) und doppelte Rohrblätter (in der Melodiepfeife) vereint:

Entenhausener Dudelsack (Sonderform). TGDD 129, 8, Bild 6.

NB: Dieser Dudelsack ist – wie viele andere – eine Entenhausener Sonderbauform, in diesem Fall mit vier gleich langen Bordunen. Eine Arbeit zu Dudelsäcken in Entenhausen gehört noch zu den zahlreichen Desideraten der Forschung.

Diese Bauform von Lingualen nennt man solche mit „aufschlagender“ Zunge, da der bewegliche Teil auf einen festen oder auf das Gegenstück „aufschlägt“.

Es gibt aber noch eine weitere Bauform von Lingualen, die ebenfalls weithin bekannt ist, weil sie in Mundharmonikas, Harmonien und Akkordeons verwendet wird: Die durchschlagende Zunge. In diesem Fall ist die Zunge in die Kernöffnung exakt eingepasst und schwingt frei durch diese hindurch; das Rückschwingen wird nicht direkt durch den Zusammenbruch des Unterdrucks eingeleitet, sondern durch den Anstieg der Spannung in der Zunge über den einwirkenden Winddruck hinaus.

Durchschlagende Zungen zeichnen sich durch geringeren Luftdruck-, aber größeren Luftmengenbedarf aus, da das Durchgangsvolumen nicht durch die Größe des Zungenaufwurfes, sondern durch die Größe der Durchschlagsöffnung begrenzt ist.

Enten im Aufwind, Teil II

Kehren wir zum Thema der schwebenden Enten zurück.

In „Das Münstermännchen“ werden Dagobert, Tick, Trick und Track bekanntlich von demselben in je eine Orgelpfeife gesperrt, in der sie vom Luftstrom beim Ansteuern der Pfeife zum Schweben gebracht werden:

Die für diesen Aufwind erforderliche Windmenge ist erheblich. TGDD 71, 63, Bild 3.

Eine Rechnung, bei der mir Kollege PaTrick Martin von den S.E.D. dankenswerterweise zur Hand ging, hilft bei der Kalkulation der dafür nötigen Luftmenge. Ich zitiere:

"Annahme: Enten sind ca. 1m groß und wiegen 31,3 kg. Die Gewichtskraft (= erforderliche Kraft für Schwebezustand) = 313 N. Unter einigen weiteren stark vereinfachenden Annahmen (20m3 Luft, 32-Fuß-Pfeife) braucht es da etwa 50 m/sec (180 km/h).“[11]

Sind derartige Windmengen in einer „normalen“ Orgelpfeife erreichbar? Wiederum wurde in Hamburg coram publico ein Versuch angestellt: Ein proportional korrektes Modell des Herrn Duck wurde in die bereits beschriebene Pfeife eingebracht und der Proband (der sich inzwischen leidlich erholt hatte) stand nun vor der Aufgabe, dieses Modell durch Anblasen zum Schweben zu bringen. Auch dieser Versuch musste nach einigen Anläufen erfolglos abgebrochen werden. Die Schlussfolgerung ist zulässig, dass ein gelingender Versuch nur bei der Konstellation

a) größere verfügbare Luftmenge und

b) größere Durchströmungsöffnung

zu erwarten wäre.

Betrachtet man die Abbildungen der Pfeifen der Münsterorgel dokumentarisch, so würde zum dargestellten Durchmesser – ausgehend von der von Martin zugrunde gelegten Körpergröße von rund 1 Meter bei einer erwachsenen Ente - am ehesten ein offenes (Durchströmung!) 64‘ Labial zum Durchmesser passen. Dieses aber passt nicht mehr in das Münster, da man neben der reinen Pfeifenhöhe von etwa 20m noch die Höhe der Orgelempore über dem Fußboden, die des Orgelkastens und der Windlade berücksichtigen muss. Außerdem muss ein Abstand zur Decke eingehalten werden, damit sich der Klang entfalten kann. Außerdem klingt, wie wir im Versuch festgestellt haben, ein Labial kaum mehr, wenn sich ein Fremdkörper in der Pfeife befindet.

Es ist daher eher an folgende Konstruktion zu denken:

  1. Schallerzeugung durch durchschlagende Zunge, das erklärt die hohe Luftmenge, die gebraucht wird.
  2. Weitenmensur wie ein 64‘ Weitprinzipal, nach Adelung[12] ist das Mensurverhältnis eines solchen Registers ca. 1: (vierte Wurzel aus 8), dann wäre der Durchmesser der tiefsten Pfeife bei ca. 91 cm.
  3. Bei einer Zungenpfeife wird nun aber die Tonhöhe wie oben beschrieben nicht durch den Pfeifenkörper bestimmt (der ist hauptsächlich für die Klangformung zuständig). Das würde dann auch erklären, warum die Orgel trotz der besetzten Pfeifen noch „Gold und Silber lieb ich sehr“ spielen kann. Dafür sind immerhin innerhalb eines Umfanges von 6 Ganztönen 5 nötig, müssen also klingen.
  4. Wie groß müsste die Zunge für so ein Monster sein? In der Literatur[13]  finden sich folgende Angaben: Für C- (d.h. 8‘) wäre das bei einer Materialstärke von 0,30 mm eine Blattgröße von 9,5x80 mm. Die Oktavmensur ist auch hier wieder annähernd (!) 1:1,68, sodass der freischwingende Teil der Zunge für die 64‘-Tonlage überschlägig 20x175 mm sein müsste. Die Luftmenge bei einer durchschlagenden Pfeife ist in etwa ½ der freien Durchströmung der Öffnung, und der erforderliche Druck hängt von der Zungenstärke ab (beides ergibt dann mit der Pfeifenform die Lautstärke und die Wellenform (von Klangfarbe kann man da kaum mehr sprechen)).

Es handelt dabei sich tatsächlich um Winddimensionen, die in einer normalen Orgelpfeife nie und nimmer möglich sind. Dennoch ist das Phänomen nachgewiesen. Wie könnte es erklärt werden? Wir tragen die bisher bekannten Fragmente zusammen und ziehen eine Zwischenbilanz.

Fragment 1: Entenhausen hat eine lange und handwerklich hoch entwickelte Tradition im Instrumentenbau; der Bau von Großorgeln ist eine öfters und mitunter in Rekordzeit durchgeführte Tätigkeit.

Fragment 2: Zumindest ein Teil der Pfeifen der Münsterorgel ist nicht mit gewöhnlichen Labialen oder aufschlagenden Lingualen bestückt, sondern mit durchschlagenden Zungen ungewöhnlich großer Dimension.

Fragment 3: Um die erforderliche Windgeschwindigkeit in der Pfeife hinzubekommen, muss man ein Luftvolumen von über 400.000 m³ / Stunde bewegen. Da der gesamte Rauminhalt des Münsters nur ca. 200.000 m³ beträgt, können diese Pfeifen nicht dauernd angeschlagen werden, sondern nur für kurze Impulse von maximal wenigen Sekunden (die Balgkapazitäten wären sonst nicht unterzubringen). Um diese Luftmenge durch die Zungenöffnung wie oben beschrieben zu bekommen, muss an dieser der ca. 160fache Druck anliegen.

Zwischenbilanz: Die Energiezufuhr ist enorm, die Zungen müssen daher sehr stark dimensioniert sein und somit enorme Schallenergie erzeugen. Dies allerdings im extrem niederfrequenten Bereich ab rund 4 Hz – wir sprechen also von hoch energiereichem Infraschall.

Indiz: Die Existenz der Planyavksy-Tasten an der Münsterorgel

In seinem Beitrag im DD 101, 4-8, hat Eric Mayr festgestellt, dass die Standardtastatur eines Manuals in Entenhausen nicht wie die uns bekannte Normtastatur über 12 Tasten verfügt, sondern über mehr (bis zu 15 sind dokumentiert). Er bezeichnete diese Zusatztasten als Planyavsky-Tasten. Mayr postulierte, dass offenbar die Toneinteilung der Entenhausener Oktave anders verläuft als die uns bekannte oder mehrere Tasten für denselben Ton verwendet werden, um den anatomischen Besonderheiten der Anatiden entgegenzukommen. Hier wage ich zumindest hinsichtlich der Münsterorgel zu widersprechen.[14]

Tatsächlich sind die Planyavsky-Tasten der Münsterorgel Bestandteil des perfiden Mechanismus, der seit langer Zeit – wohl seit Vakanz und Verfall der ursprünglichen Klosteranlage – zur Beherrschung der Entenhausener Massen benutzt wird: Sie sind es, die mit jenen gigantischen Pfeifen gekoppelt sind, in denen die Ducks zu schweben beginnen und die musikalisch keinerlei messbaren Wert haben.

4. Infraschall und nervolabile Zustände – ein Zusammenhang?

Unter Infraschall verstehen wir den Frequenzbereich unterhalb der Hörschwelle. Diese befindet sich für Menschen zwischen 16 und 20 Hz. Auch wenn unser Gehör für solch sehr tiefe Schallschwingungen praktisch taub ist, wird Infraschall gleichwohl – zumeist unbewusst – körperlich wahrgenommen. Denn im Gegensatz zu höherfrequentem Schall, der von Haut, Muskeln und Fettgewebe weitgehend absorbiert wird, durchdringen die extrem langen Infraschallwellen den Körper wie eine gekochte Makkaroni einen Amboss, sofern nur der Energiegehalt stimmt.

So können diese Wellen gewisse Körperbereiche in Schwingung versetzen. Stimmt die Erregerfrequenz mit der Eigenfrequenz einer Region überein, kommt es zu einer mehr oder minder starken Resonanz. Eine Resonanz der Bauch- und Brusthöhle ist notorischen Diskobesuchern gut bekannt. Aber auch viel spezifischere Körperregionen wie z.B. Augenhöhlen, Nasennebenhöhlen, Rachen und Innenohr können in Resonanz versetzt werden. Daraus kann eine Reihe interessanter Symptome resultieren, beispielsweise Konzentrationsstörungen, optische Verzerrungen, Gleichgewichtsstörungen oder Sprachschwierigkeiten. Aber auch von depressiven Verstimmungen, erhöhter Reizbarkeit bis hin zu offener Aggression wird im Zusammenhang mit Infraschall-Einwirkung immer wieder berichtet, ebenso wie – wie eingangs erwähnt – von Angstzuständen bis zur Panik. Alle diese Symptome sind in Entenhausen nachgewiesen:

Gleichgewichts- und Konzentrationsstörungen sind in Entenhausen wiederholt dokumentiert. TGDD 98, 8, Bild 5.
Depressive Verstimmungen gehören zu den regelmäßig auftretenden Beeinträchtigungen des Alltags vieler Einwohner. TGDD 88, 32, Bild 1.

Wir sehen: Die psychischen, physischen wie auch die sozialen Folgen massiver Infraschall-Einwirkung sind enorm. Umso mehr drängt sich die Frage nach der Quelle des Übels auf. Zunächst einmal sei darauf hingewiesen, dass Infraschall ein überall vorkommender, allgemeiner Bestandteil der natürlichen Umgebung ist, aber eben auch künstlich erzeugt wird, beispielsweise im Verkehrswesen oder durch technische Geräte.

Die mit Abstand eindrucksvollste und weitreichendste Infraschallquelle Entenhausens dürfte die Münster-Orgel sein, genauer: die bereits erwähnten, von der Mensur her einem 64‘-Register entsprechenden Pfeifen.


Tatsächlich bringen die größten Pfeifen eines solchen Registers einen Ton mit einer Frequenz von 8,2 Hz hervor (das Sub-Sub-Contra C). was, nebenbei bemerkt, einer wahrhaft stattlich zu nennenden Schallwellenlänge von rund 41,83 m entspricht. Schallwellen derart tiefer Frequenz breiten sich gut über große Entfernungen aus, und in Zusammenschau mit der oben beschriebenen hohen Energie der Wellen (Windmenge und –Druck!) ergibt sich, dass – wer immer an den Manualen im Münster sitzt – in der Lage ist, das gesamte Stadtgebiet Entenhausens niederfrequent zu beschallen.[15]

These: Die Verschwörung der Porkoiden

Die einzige quellenmäßig belegte Person, die am Orgelspieltisch sitzt, ist bekanntlich das Münstermännchen. Seine Körperhaltung ist die eines Virtuosen, was die Vermutung nahe legt, dass es wohl des Öfteren Orgel spielen wird. Wenn dem so ist – geschieht dies wirklich aus reiner Musikliebe oder im Auftrag und Interesse einer übergeordneten Instanz? Und falls ja – wie könnte dieses Interesse aussehen? Bevor wir den Schleier lüften und die aufgeworfenen Fragen beantworten, sollten wir uns folgende logische Konsequenz vor Augen führen: Wenn die Entenhausener Schallwellen unterschiedlichster Frequenzen einschließlich Ultraschall einer praktischen Verwendung zuführen, warum ausgerechnet sollte der niederfrequente Bereich da eine Ausnahme bilden, wo doch der Nutzen, eben gezielt Furcht erzeugen zu können, gerade für bestimmte Kreise auf der Hand liegt? Denn wer ständig von Angstzuständen geplagt wird, kann nicht mehr klar denken. Und wer nicht mehr klar denken kann, der ist weitaus leichter beeinfluss- und regierbar als ein mit allen Sinnen präsenter Wutbürger.

Von dieser Sorte gibt es in der Stadt bekanntlich jede Menge. Der Entenhausener als solcher reagiert überaus feinfühlig, wenn Wunschvorstellungen und Wirklichkeit voneinander abweichen.Er neigt in diesen Fällen zu einer gewissen Unsachlichkeit.

Was also läge näher, als derartigen Aufmüpfigkeiten dezent zu steuern, indem man den Bürger dahingehend beeinflusst, sich lieber um die eigenen Angelegenheiten zu kümmern. Um seine Ängste und andere negative Gefühlszustände, beispielsweise. Als klarer Nutznießer einer ständigen Infraschall-Beschallung breitester Bevölkerungskreise kann vor allem eine Person ausgemacht werden: Der Bürgermeister von Entenhausen. Die folgenden Vorwürfe sind schwerwiegend, aber im Detail belegbar und es ergibt sich ein höchst bedenkliches Sittenbild der politischen Elite in dieser Kommunität (erfreulich, dass eine solche Konstellation nur in Entenhausen vorkommen kann).


Dieser feiste, jovial wirkende Amtsträger hat es möglicherweise faustdick hinter seinen Schweineohren. Der mit Frack und Zylinder stets fein gekleidete Herr erweist sich bei näherer Betrachtung als ausgesprochen machtbewusst. Selbst angesichts einer Flutkatastrophe beinahe biblischen Ausmaßes hat er ausschließlich seine Profilierung auf dem politischen Parkett im Sinn.

Zweifelhafte Prioritäten: Der Bürgermeister von Entenhausen. TGDD 59, 38, Bild 3.


Das Haushaltsrecht des Stadtrates, das Königsrecht eines jeden Parlamentes, tritt er mit Füßen, indem er eigeninitiativ den Bau von gleich vier kostspieligen Riesenrobotern in Auftrag gibt, obgleich die Finanzierung eines derartigen Vorhabens zuvor keiner demokratischen Debatte unterzogen worden ist, von einem parlamentarischen Beschluss ganz zu schweigen. Damit nicht genug, hindert der Herr Bürgermeister höchstselbst brave Ordnungshüter daran, gegen eindeutig gesetzwidriges Treiben energisch einzuschreiten – unter Hinweis auf die unklare Finanzierung des Projekts:

Sogar kriminelle Elemente werden geschützt und die Trennung von Legislative und Exekutive missachtet, wenn es um Finanzen geht. TGDD 68, 8, Bild 4.


Des Weiteren befreit er sich aus der selbst verschuldeten Notlage, indem er ausgerechnet dem Verbrechensopfer, noch dazu einem verdienten Mitbürger und Steuerzahler erster Kategorie, die Gesamtkosten des Desasters aufoktroyiert und damit einmal mehr seinen Wendehals rettet. Und schließlich scheut er selbst vor Klüngeleien mit der Wirtschafts- und Finanzelite nicht zurück, wenn er sich damit öffentlich als der große Sanierer maroder Infrastruktur profilieren kann.

Wir sehen mit Entsetzen: Der Bürgermeister hat tatsächlich ein nachvollziehbares Interesse an unauffälligen Kontrollmaßnahmen, um einer Bürgerrevolte gegen so  viel Korruptheit und Inkompetenz vorzubeugen. Es ist somit keine abwegige These, das sog. Münstermännchen als Erfüllungsgehilfen des Stadtoberhauptes, als willfährigen Agenten der Staatsmacht anzusehen. Wahrscheinlich versetzt der Meisterorganist im Mummenschanz von seinem Spieltisch aus mehrmals täglich und nächtlich die bedauernswerten Bürger Entenhausens in eine wahre Orgie von Angstpsychosen. Ja, höchstwahrscheinlich ist die Legende vom geisterhaften Münstermännchen überhaupt erst von höherer Stelle ins Leben gerufen worden, um bei diesen miesen manipulativen Machenschaften im Münster möglichst ungestört zu bleiben.

Wie aber könnte eine solche unheilvolle Verbindung zwischen dem Vermummten und dem höchsten Volksvertreter zustande gekommen sein? Wir gehen  hierbei von folgendem Szenario aus: Bei einer Überholung der Orgel ist das Instrument irgendwann als starker Infraschallsender identifiziert worden.[16] Ein findiger Berater des Bürgermeisters vom Schlage eines Justizrates Wendig hat dann auf die machtpolitischen Möglichkeiten der Orgel als Herrschaftsinstrument hingewiesen. Der Bürgermeister hat daraufhin einen abgewirtschafteten Organisten, der in flagranti bei einem Einbruch  eine Bank ertappt worden war, vor die einfache Wahl gestellt: entweder Orgel oder Knast. Dass es sich beim sog. Münstermännchen um einen professionellen Organisten handelt, ist angesichts seiner offenkundigen Befähigung an den Manualen der “Königin unter den Instrumenten” höchst wahrscheinlich. Der Grund für die uneingeschränkte Kooperationsbereitschaft des schwarz gewandeten Tasten-Tigers dürfte in seiner Erpressbarkeit zu suchen sein. Wie wir wissen, gleicht das Münstermännchen dem stadtbekannten Finanzgenie Dagobert Duck nicht nur optisch auf die Feder, sondern teilt mit ihm auch eine manische Vorliebe für Münzen, aus denen es sein “Lebenswerk”, ein exaktes Modell des Entenhausener Münsters, zu erstellen gedenkt. Da es den Duckschen Geldspeicher vernünftigerweise zunächst für uneinnehmbar gehalten haben dürfte, wird der eigentlich namenlos bleibende Münzliebhaber erst einmal die Entenhausener Banken als “Baustofflieferanten” ins Auge gefasst haben. Diese sind nachweislich recht offenherzig, was die Bareinlagen ihrer Kundschaft betrifft. Wie leicht es ist, in den Tresorraum einer Bankfiliale vorzudringen, demonstriert uns kein Geringerer als Dagobert Duck höchstselbst, anlässlich eines akuten Anfalls von Bankiersjucken.

Doch auch an der Gumpe gilt: quod licet iovi, non licet bovi! Im übertragenen Sinne also: Was einem berühmten Bankier als harmlose Schrulle nachgesehen und mit einem schwungvollen Rausschmiss geahndet wird, führt bei einem abgehalfterten Tonkünstler geradewegs in die Untersuchungshaft. Da nützt dann auch die Ähnlichkeit mit besagtem Bankier nichts mehr. Solcherart die Vollendung seiner Lebensaufgabe bedroht sehend, dürfte unser Musicus das erpresserische Angebot des Stadtoberhauptes, künftig als “Münstermännchen” für den Machterhalt der selbsternannten Elite zu orgeln, dankend angenommen haben.

Parallel dazu hat der Bürgermeister folgerichtig  Dipl.-Ing. Düsentrieb im Rahmen eines „Forschungsprojektes“ beauftragt, einen handlichen Schallneutralisator für alle Frequenzbereiche zu entwickeln – vorgeblich, um in der Stadt für mehr Ruhe für die Bürger zu sorgen. Wobei natürlich im Gesamtkontext eher die Ruhe vor den Bürgern gemeint gewesen sein dürfte:

"Schalllöscher" wäre korrekt. TGDD 28, 28, Bild 8.


Tatsächlich sollte das besagte Gerät nämlich lediglich dazu dienen, den Bürgermeister und seine Entourage vor den negativen psychosomatischen Auswirkungen der Infra-Beschallung zu schützen. Der Neutralisator ist denn bezeichnenderweise auch so klein geraten, dass er stets problemlos mitgeführt werden kann – z.B. unter dem Zylinder versteckt, was die Rolle dieser kostspieligen Kopfbedeckung natürlich in ein ganz neues Licht rückt.

In der Tat tragen der Bürgermeister wie auch sämtliche Honoratioren der Stadt bei allen denkbaren und sonstigen Anlässen Zylinderhüte. Man kann ja nie so genau wissen, wann “IM Münster” wieder georgelt wird. Dass Zylinderträger Dagobert Duck übrigens nicht zu diesem konspirativen Kreis gehört, beweist zum einen die Tatsache, dass er unter seiner Kopfzierde zumeist ein überwiegend größeres Bündel Bargeld beherbergt und somit selbst für den kleinen Schallschutzapparat dort beim besten Willen kein Platz mehr vorhanden ist. Zum anderen sind die zahlreich belegten Zusammenbrüche und Nervolabilitäten des Bankiers sicheres Anzeichen dafür, dass er keinerlei Schutz vor dem allgegenwärtigen Infraschall zur Verfügung hat.

Nun ist Daniel Düsentrieb bekanntlich herzensgut, aber zugleich hochintelligent. Als das Schallschutzprojekt wider Erwarten nicht öffentlich umgesetzt wurde, hat er Verdacht geschöpft und schließlich erkannt, dass sein technisches Genie für perfide politische Zwecke missbraucht worden war. Seine Reaktion auf diese niederschmetternde Einsicht ist so einfach wie klug: er zieht mit seiner Schottschen Karre voller Krimskrams-Erfindungen kreuz & quer durch die Stadt und bringt dabei unauffällig auch den einen oder anderen Schallneutralisator unter das Volk, getreu also der ursprünglich von seinem bürgermeisterlichen Auftraggeber behaupteten Zielsetzung des ganzen Projekts.

Subversiver Widerstand gegen die Verhaltenskontrolle. TGDD 28, 26, Bild 4.

Bemerkenswerterweise erfolgt dies ganz heimlich, still und leise. Eine Aufdeckung des Skandals unterlässt Düsentrieb, der Harmonieliebende, anscheinend bewusst. Wohl auch, um allzu hohe, potenziell unkontrollierbare Wellen der Empörung zu vermeiden. Trotzdem stellt er damit zumindest  eine Art Waffengleichheit zwischen Regierung und Regierten her.

Soviel zu den möglichen Hintergründen. Bereits bei der ersten öffentlichen Vorstellung dieses Gedankengangs auf dem 40. Kongress der D.O.N.A.L.D. in Hamburg wurde seitens des Auditoriums bemängelt, dass dieses komplexe Szenario letztlich rein spekulativ und nicht mittels konkreter Bildbelege zu untermauern sei. Hierzu sei angemerkt, dass es in der donaldistischen Forschung durchaus noch weitere Theorien und Gedankengebäude gibt, die den ultimativen Beweis schuldig bleiben, aber gleichwohl anerkannt sind. Als Beispiel seien hier Lars Kaschkes Ausführungen zur wahren Natur der Panzerknacker AG angeführt[17]: Kaschke geht davon aus, dass es sich bei der Panzerknackerbande nicht um eine verbrecherische Vereinigung handelt, sondern um eine Sondereinheit des Entenhausener Innen-Geheimdienstes. Diese habe von allerhöchster Stelle den Auftrag erhalten, Dagobert Duck mittels ständiger Angriffe auf sein Barvermögen abzulenken und ihn so daran zu hindern, seine enorme ökonomische Macht in politischen Einfluss umzumünzen. Dass sei auch der Grund, weshalb den Knackern nahezu unbegrenzte finanzielle bzw. technische Mittel zur Verfügung stünden und sie jeweils immer nur für kurze Zeit eingesperrt würden. Wie jeder Schriftkundige sofort bestätigen wird, gibt es für diesen kühnen Ansatz keinerlei Belege in den Barks-Berichten. Dennoch sind Kaschkes Überlegungen mit derart bestechender Schlüssigkeit dargelegt, dass selbst der größte Kritiker sie als realistisches und daher mögliches Szenario anerkennen muss.

Niemand wird ernsthaft bestreiten wollen, dass die in Bezug auf den Infraschall angestellten Überlegungen ebenfalls eine gewissen Schlüssigkeit aufweisen. Sie sollten daher als ernsthafte Möglichkeit begriffen werden, und als Anlass zu weiteren intensiven Forschungsbemühungen auf diesem komplexen Gebiet.

Eine tröstliche und hoffnungsvoll stimmende Erkenntnis mag das von uns entworfene düstere Szenario in abmildernder Weise beschließen: Manipulativen Maßnahmen folgt sachkundige Subversivität auf dem Fuße, und ekliger Einfallsreichtum der Eliten zeugt  wohldurchdachten Widerstand. Womit erneut bewiesen wäre: Entenhausen ist zu Recht uns Heutigen und Hiesigen wieder einmal mehr Mahnung als Vorbild.

Desiderate

Wie jede gute Forschungsarbeit beantwortet die vorliegende etliche zentrale Fragen, lässt aber andere offen und wirft neue auf. Folgende Desiderate aus dem (psycho-)akustischen Bereich seien hier ausdrücklich benannt:

  • Die Wirkung tönender Totems, die zuvor aggressive Aborigines in lustvoll Lauschende verwandeln: Hier ist zu fragen, nach welchem Prinzip die Tonerzeugung funktionieren könnte (eine erste Vermutung deutet auf ein umlaufendes Ringlabial nach dem Muster der Dampfpfeife) und ob Holzart, Trockenheit oder die Anzahl der Spechtlöcher einen Einfluss auf die Stimmung der Hörerinnen und Hörer hat.
  • Die Bauformen der Entenhausener Dudelsäcke, die einen erstaunlichen Variantenreichtum aufweisen: Warum werden drei gleichtönige Bordunpfeifen verwendet und wie kann eine Klarinette, angeblasen von einem Autoreifen, einen ähnlichen Klang entfalten? Warum spielen die MacElks in Schottland eine Great Highland Bagpipe, während die Pfeifer in der Parade eines gewissen geizigen Verschwenders offenbar nicht einmal über eine Spielpfeife verfügen?

Wie überall in der donaldischen Forschung gilt auch hier: Man weiß so wenig. Aber immerhin: Wir wissen, dass wir wenig wissen, und nach der Lektüre dieses Beitrages wissen wir doch etwas mehr.

Literatur

Adelung, Wolfgang: Einführung in den Orgelbau, Breitkopf&Härtel: Wiesbaden 1991.

Bahners, Patrick: Entenhausen. Die ganze Wahrheit, München: Beck 22014.

Baron, Christian: Lieben Sie Bombopoff, oder: Die konzertante Musik in Entenhausen, in: DD 31, 11-12.

Bauer, Siegfried: Probieren und Studieren. Lehrbuch zur Grundausbildung in der Evangelischen Kirchenmusik, München: Strube 21998.

Bormann, Karl: Orgel- und Spieluhrenbau. Aufzeichnungen des Orgel- und Musikwerkmachers Ignaz Buder von 1829 und die Entwicklung der Walzenorgeln, Zürich: Sanssouci 1968.

Bormann, Karl: Heimorgelbau, Berlin: Merseburger 21975.

Drossel, Tobias: Wirtschaft in Entenhausen, in: DD 131, 36-44.

Herges, Alexander: Forschung von Ernst Horst. 27. Kongress der D.O.N.A.L.D. in Heidelberg, leider noch nicht veröffentlicht, in: DD Sondernummer: Kalender 2005/06, hgg. v. A. Herges, 26-28.

Horst, Ernst: Nur keine Sentimentalitäten. Wie Dr. Erika Fuchs Entenhausen nach Deutschland verlegte, München: Blessing 32010.

Jacobsen, Peter: Physikalische, anatomische und soziokulturelle Grundlagen der Psychoakustik in Entenhausen, in: Der Donaldist (DD) 123 (2004), 4-23.

Kaschke, Lars: Die Panzerknacker AG - Mythos und Wirklichkeit, in: DD 78, 48 - 58.

Seitz, Gangolf: Donald Duck und die Musik, in: Hamburger Donaldist (HD) 5, 7-11.

Smets, Paul: Neuzeitlicher Orgelbau, Mainz: Rheingold 1949.

Töpfer, Johann G.: Lehrbuch der Orgelbaukunst IV, Mainz: Rheingold 1960.

Wessely, Christian: Das Entenhausener Münster. Eine erste Annäherung, in: DD 145, 4-19.

Wollina, Jürgen: Das bildgenaue Barks/Fuchstext Stichwortregister 2014, Bad Füssing: M.Ü.C.K.E. 2014.



[1] Jacobsen, Peter: Physikalische, anatomische und soziokulturelle Grundlagen der Psychoakustik in Entenhausen, in: Der Donaldist (DD) 123, 4-23,

[2] Ich habe im Moment nicht mehr die leiseste Ahnung, wie ich hier auf Hänsel gekommen bin, will aber diese Ausführungen weiterhin mit dem Namen eines verdienstvollen Donaldisten schmücken, daher verweise ich hier völlig zusammenhanglos auf einen Beitrag Hänsels, der mir zufällig in die Hände fällt, nämlich Hänsel, Hartmut, Timeo hominem unius libri, in: DD 90, 55-56. Zack!

[3] Dazu Gangolf Seitz im HD 5, 7-11

[4] Dazu u.a. B. Christian im DD 31, 11-12

[5] Wie Tobias Drossel – DD 131, 36ff. - gezeigt hat, kann man dies nicht völlig eindeutig in Kaufkraft umrechnen, aber auf der Basis eines Minimalstundenlohnes (20 Kreuzer für Sorgenmachen im Sitzen lt. Der Selbstschuss, TGDD 10/25/3) müsste man für eine Dampforgel knapp 52 Jahre lang arbeiten.

[6] Wessely, Christian: Das Entenhausener Münster. Eine erste Annäherung, in: DD 145, xxxx-yyyy.

[7] Wackerhagen wird, wie ich zuversichtlich hoffe, seine Einwände in Zukunft publizieren, damit ich auf sie reagieren kann. Derzeit liegen sie nur mündlich formuliert und entsprechend schwach belegt vor, was immer neue heftige Diskussionen nicht verhindert.

[8] Horst, Ernst, ZITAT FEHLT

[9] Die an sich

[10] Dabei wurde eine Holzpfeife aus dem Altbestand einer Hopferwieser-Orgel aus 1910 verwendet, die dem Subbass-Register entnommen war und etwas eingekürzt wurde. Zugleich wurde der Pfeifenboden durch eine Acrylglasplatte ersetzt, damit in der zweiten Versuchsanordnung (s.u.) ein eventueller Erfolg beobachtbar ist. Die Pfeife wurde mit einem flexiblen Anblasschlauch und hygienischen Einmalmundstücken versuchstauglich gemacht.

[11] E-Mail von PaTrick Martin, 24.2.2014.

[12] Adelung, Wolfgang: Einführung in den Orgelbau, 1991.

[13] Adelung und Bormann.

[14] Anzumerken ist, dass Mayr nichts für seinen Irrtum kann, da der Forschungsstand zur Münsterorgel zu seiner Zeit noch nicht so weit fortgeschritten war wie heute, da sich Köpfe wie die Autoren dieses Beitrages dem Thema widmen.

[15] An dieser Stelle soll nicht verschwiegen werden, dass Wackerhagen eine Alternativdeutung (wiederum vorerst nur mündlich) zur Funktion der Münsterorgel vorgebracht hat. Es handle sich, so der Bezweifler der fast unwiderleglichen Indizien in Erweiterung seiner Theorie von der Entstehung des Münsters im Rahmen der Entenhausener Weltausstellung, um eine Attraktion im Sinne eines Jahrmarktsfahrgeschäftes, analog zur Hüpfburg. Die Ausformulierung und Belegung des Einwandes wird unsererseits noch erwartet, doch sein darauf hingewiesen, dass die erforderlichen Luftmengen, um mehrere solcher Luftsäulen gleichzeitig in Bewegung zu halten, einerseits große Puffersysteme und andererseits ungeheure Kompressoren erfordern würden, die wohl größer wären als das Münster selbst. Deren Energieverbrauch wäre ebenfalls enorm (hier ist Wackerhagen selbst der berufene Fachmann, um dies zu berechnen). Diese These sehen wir daher als unwahrscheinlich an.

[16] Ausgehend von der Gestaltung der Traktur und den erforderlichen Technologien, um die erforderlichen Windmengen zu dirigieren, scheidet eine rein mechanisch funktionierende Orgel aus. Die ersten technischen Unterstützungssysteme für Spieltische kamen aber erst nach der Mitte des 19. Jh. auf, sodass von einer Errichtung der Orgel um 1900 oder nur wenig früher ausgegangen werden muss. Wurde sie vielleicht schon weitsichtig als Herrschaftsinstrument konstruiert? Das wäre eine mögliche Denkvariante.

[17] Kaschke, Lars: Die Panzerknacker AG - Mythos und Wirklichkeit, in: Der Donaldist (DD) 78, 48 - 58