Literaturzitate von Friedrich Schiller

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Wallensteins Lager

Es wächst der Mensch mit seinen höheren Zwecken

Prolog, Wallensteins Lager
MM 18 1961 S38
(Gesprochen bei Wiedereröffnung der Schaubühne in Weimar im Oktober 1798)

Der scherzenden, der ernsten Maske Spiel,

Dem ihr so oft ein willig Ohr und Auge

Geliehn, die weiche Seele hingegeben,

Vereinigt uns aufs neu in diesem Saal

Und sieh! er hat sich neu verjüngt, ihn hat

Die Kunst zum heitern Tempel ausgeschmückt,

Und ein harmonisch hoher Geist spricht uns

Aus dieser edeln Säulenordnung an,

Und regt den Sinn zu festlichen Gefühlen.

Und doch ist dies der alte Schauplatz noch,

Die Wiege mancher jugendlichen Kräfte,

Die Laufbahn manches wachsenden Talents.

Wir sind die Alten noch, die sich vor euch

Mit warmem Trieb und Eifer ausgebildet.

Ein edler Meister stand auf diesem Platz,

Euch in die heitern Höhen seiner Kunst

Durch seinen Schöpfergenius entzückend.

O! möge dieses Raumes neue Würde

Die Würdigsten in unsre Mitte ziehn,

Und eine Hoffnung, die wir lang gehegt,

Sich uns in glänzender Erfüllung zeigen.

Ein großes Muster weckt Nacheiferung

Und gibt dem Urteil höhere Gesetze.

So stehe dieser Kreis, die neue Bühne

Als Zeugen des vollendeten Talents.

Wo möcht es auch die Kräfte lieber prüfen,

Den alten Ruhm erfrischen und verjüngen,

Als hier vor einem auserlesnen Kreis,

Der rührbar jedem Zauberschlag der Kunst,

Mit leisbeweglichem Gefühl den Geist

In seiner flüchtigsten Erscheinung hascht?

Denn schnell und spurlos geht des Mimen Kunst,

Die wunderbare, an dem Sinn vorüber,

Wenn das Gebild des Meißels, der Gesang

Des Dichters nach Jahrtausenden noch leben.

Hier stirbt der Zauber mit dem Künstler ab,

Und wie der Klang verhallet in dem Ohr,

Verrauscht des Augenblicks geschwinde Schöpfung,

Und ihren Ruhm bewahrt kein daurend Werk.

Schwer ist die Kunst, vergänglich ist ihr Preis,

Dem Mimen flicht die Nachwelt keine Kränze,

Drum muß er geizen mit der Gegenwart,

Den Augenblick, der sein ist, ganz erfüllen,

Muß seiner Mitwelt mächtig sich versichern,

Und im Gefühl der Würdigsten und Besten

Ein lebend Denkmal sich erbaun – So nimmt er

Sich seines Namens Ewigkeit voraus,

Denn wer den Besten seiner Zeit genug

Getan, der hat gelebt für alle Zeiten.[c]

Die neue Ära, die der Kunst Thaliens

Auf dieser Bühne heut beginnt, macht auch

Den Dichter kühn, die alte Bahn verlassend,

Euch aus des Bürgerlebens engem Kreis

Auf einen höhern Schauplatz zu versetzen,

Nicht unwert des erhabenen Moments

Der Zeit, in dem wir strebend uns bewegen.

Denn nur der große Gegenstand vermag

Den tiefen Grund der Menschheit aufzuregen,

Im engen Kreis verengert sich der Sinn,

Es wächst der Mensch mit seinen größern Zwecken.

Ernst ist das Leben, heiter ist die Kunst

MM46 1968 S10
Prolog, Wallensteins Lager (Gesprochen bei Wiedereröffnung der Schaubühne in Weimar im Oktober 1798)
TGDD 16
Das heut’ge Spiel gewinne euer Ohr

Und euer Herz den ungewohnten Tönen;

In jenen Zeitraum führ‘ es euch zurück,

Auf jene fremde kriegerische Bühne,

Die unser Held mit seinen Taten bald

Erfüllen wird. Und wenn die Muse heut,

Des Tanzes freie Göttin und Gesangs,

Ihr altes deutsches Recht, des Reimes Spiel,

Bescheiden wieder fordert – tadelt’s nicht!

Ja danket ihr’s, daß sie das düstre Bild

Der Wahrheit in das heitre Reich der Kunst

Hinüberspielt, die Täuschung, die sie schafft,

Aufrichtig selbst zerstört und ihren Schein

Der Wahrheit nicht betrüglich unterschiebt;

Ernst ist das Leben, heiter ist die Kunst.

Die Piccolomini

Spät kommt ihr, doch ihr kommt! Der weite Weg, Graf Isolan, entschuldigt Euer Säumen!

MM 1960/21, TGDD27

Die Piccolomini, 1. Akt, 1. Auftritt

ILLO:

Spät kommt Ihr – Doch Ihr kommt!

Der weite Weg, Graf Isolan, entschuldigt Euer Säumen.

Johann Ludwig Hektor Graf von Isolani (italienisch Gioan Lodovico Hector Isolano): * 1586 in Görz; † März 1640 in Wien) war ein kaiserlicher General der kroatischen Reiter im Dreißigjährigen Krieg. Er diente vier deutschen Kaisern und kämpfte in den vier Hauptschlachten dieses Krieges. Seine Truppen waren berüchtigt für ihre Gräueltaten gegenüber der Zivilbevölkerung.

Das ist der Fluch der bösen Tat

US-7 MM 41 1961 S14
OCTAVIO:

Mein bester Sohn! Es ist nicht immer möglich,

Im Leben sich so kinderrein zu halten,

Wie's uns die Stimme lehrt im Innersten.

In steter Notwehr gegen arge List

Bleibt auch das redliche Gemüt nicht wahr –

Das eben ist der Fluch der bösen Tat,

Daß sie, fortzeugend, immer Böses muß gebären.

Ich klügle nicht, ich tue meine Pflicht,

Der Kaiser schreibt mir mein Betragen vor.

Wohl wär es besser, überall dem Herzen

Zu folgen, doch darüber würde man

Sich manchen guten Zweck versagen müssen.

Hier gilts, mein Sohn, dem Kaiser wohl zu dienen,

Das Herz mag dazu sprechen, was es will.

Die Jungfrau von Orleans

MM 10 1952 S26
Prolog, 4. Auftritt
MM 10 1952 S27

Lebt wohl ihr Berge, ihr geliebten Triften,

Ihr traulich stillen Täler lebet wohl!

Johanna wird nun nicht mehr auf euch wandeln,

Johanna sagt euch ewig Lebewohl.

Ihr Wiesen, die ich wässerte! Ihr Bäume,

Die ich gepflanzet, grünet fröhlich fort!

Lebt wohl, ihr Grotten und ihr kühlen Brunnen!

Du Echo, holde Stimme dieses Tals,

Die oft mir Antwort gab auf meine Lieder,

Johanna geht und nimmer kehrt sie wieder!

Kann ich Armeen aus der Erde stampfen? Wächst mir ein Kornfeld in der flachen Hand?

Die Jungfrau von Orleans, 1. Akt, 3. Auftritt
MM 1960/21, TGDD27
KARL (verzweiflungsvoll):

Kann ich Armeen aus der Erde stampfen?

Wächst mir ein Kornfeld in der flachen Hand?

Reißt mich in Stücken, reißt das Herz mir aus,

Und münzet es statt Goldes! Blut hab ich

Für euch, nicht Silber hab ich, noch Soldaten!

Gegen Gullys kämpfen selbst Götter vergebens

Die Jungfrau von Orleans III,6

LIONEL:

„Ich kann nicht bleiben. – Fastolf, bringt den Feldherrn

An einen sichern Ort, wir können uns

Nicht lange mehr auf diesem Posten halten.

Die Unsern fliehen schon von allen Seiten,

Unwiderstehlich dringt das Mädchen vor –“

Talbot entgegnet darauf:
Wehe dem, der Schulden macht (1951) WDC 124 BL 17, S. 41
„Unsinn, du siegst und ich muß untergehn!

Mit der Dummheit kämpfen Götter selbst vergebens.

Erhabene Vernunft, lichthelle Tochter

Des göttlichen Hauptes, weise Gründerin

Des Weltgebäudes, Führerin der Sterne,

Wer bist du denn, wenn du dem tollen Roß

Des Aberwitzes an den Schweif gebunden,

Ohnmächtig rufend, mit dem Trunkenen

Dich sehend in den Abgrund stürzen mußt!“

Wilhelm Tell

Schifflein auf den Wellen

US 35 MM 43 1962 S39
Wilhelm Tell, 1. Aufzug, 1. Szene


Werni ist auf den Fels gestiegen:

Er stösst schon ab. Gott helf dir, braver Schwimmer!

Sieh, wie das Schifflein auf den Wellen schwankt!

Kuoni am Ufer:

Die Flut geht drüber weg – Ich seh's nicht mehr.

Doch halt, da ist es wieder! Kräftiglich

Arbeitet sich der Wackre durch die Brandung.

Es lächelt der See, er ladet zum Bade

MM 34 1975 S3
Wilhelm Tell, 1. Aufzug, 1. Szene


Fischerknabe singt im Kahn: Melodie des Kuhreihens

Es lächelt der See, er ladet zum Bade,

Der Knabe schlief ein am grünen Gestade,

Da hört er ein Klingen,

Wie Flöten so süss,

Wie Stimmen der Engel

Im Paradies.

Und wie er erwachet in seliger Lust,

Da spülen die Wasser ihn um die Brust,

Und es ruft aus den Tiefen:

Lieb Knabe, bist mein!

Ich locke den Schäfer,

Ich zieh ihn herein.

der Starke ist am mächtigsten allein

Wilhelm Tell, 1. Akt, 3. Szene
MM 32 1972 S9
Stauffacher:

Verbunden werden auch die Schwachen mächtig.

Tell:

Der Starke ist am mächtigsten allein.

Wir wollen sein ein einig Volk von Brüdern

MM1957/27, TGDD 19
Wilhelm Tell, 2. Aufzug, 2. Szene Mit diesen beiden Zeilen beginnt der berühmte Rütlischwur aus Schillers Schauspiel »Wilhelm Tell«. In der 2. Szene des 2. Aktes haben sich die Eidgenossen aus Schwyz, Uri und Unterwalden auf einer Bergwiese, dem Rütli, versammelt. Alle sprechen sie am Ende des Aktes die Worte des Schwurs, die ihnen der Pfarrer Rösselmann aus Uri vorspricht.
MM1957/23, TGDD 19
Rösselmann:

Bei diesem Licht, das uns zuerst begrüsst

Von allen Völkern, die tief unter uns

Schweratmend wohnen in dem Qualm der Städte,

Lasst uns den Eid des neuen Bundes schwören.

Wir wollen sein ein einzig Volk von Brüdern,

In keiner Not uns trennen und Gefahr.

(Alle sprechen es nach mit erhobenen drei Fingern.)

– Wir wollen frei sein wie die Väter waren,

Eher den Tod, als in der Knechtschaft leben.

(Wie oben.)

– Wir wollen trauen auf den höchsten Gott

Und uns nicht fürchten vor der Macht der Menschen.

(Wie oben. Die Landleute umarmen einander.)

Früh übt sich, was ein Meister werden will

MM 29 1970 S7
Wilhelm Tell, 3. Aufzug, 1. Szene


Walther:

Der Strang ist mir entzwei. Mach mir ihn Vater.

Tell:

Ich nicht. Ein rechter Schütze hilft sich selbst.

Knaben entfernen sich.

Hedwig:

Die Knaben fangen zeitig an zu schiessen.

Tell:

Früh übt sich, was ein Meister werden will.

Hedwig:

Ach wollte Gott, sie lernten's nie!

Tell:

Sie sollen alles lernen. Wer durchs Leben

Sich frisch will schlagen, muss zu Schutz und Trutz

Gerüstet sein.

Hedwig:

Ach, es wird keiner seine Ruh

Zu Hause finden

Die Axt im Haus erspart den Zimmermann

MM 28 1971 S5
Wilhelm Tell, 3. Aufzug, 1. Szene

Tell:

Wer frisch umherspäht mit gesunden Sinnen,

Auf Gott vertraut und die gelenke Kraft,

Der ringt sich leicht aus jeder Fahr und Not,

Den schreckt der Berg nicht, der darauf geboren.

Er hat seine Arbeit vollendet, legt das Gerät hinweg.

Jetzt, mein ich, hält das Tor auf Jahr und Tag.

Die Axt im Haus erspart den Zimmermann.

was da kreucht und fleucht

WDC 107 MM 2 1952 S10
Wilhelm Tell, 3. Aufzug, 1. Szene

Walther singt: Mit dem Pfeil, dem Bogen,

    Durch Gebirg und Tal

    Kommt der Schütz gezogen

    Früh am Morgenstrahl.

Wie im Reich der Lüfte

    König ist der Weih –

    Durch Gebirg und Klüfte

    Herrscht der Schütze frei.

Ihm gehört das Weite

    Was sein Pfeil erreicht,

    Das ist seine Beute,

    Was da kreucht und fleugt.

Platz, Platz dem Landvogt

WDC 128 TGDD 130 (1994) S15
Wilhelm Tell, 3. Akt, 3. Szene

RUDOLF DER HARRAS.

Platz, Platz dem Landvogt!

GESSLER.

Treibt sie auseinander!

Was läuft das Volk zusammen? Wer ruft Hülfe?

(Allgemeine Stille.)

Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt

Wilhelm Tell, 4. Aufzug, 3. Szene

Stüssi:

Ja, wohl dem, der sein Feld bestellt in Ruh,

Und ungekränkt daheim sitzt bei den Seinen.

Tell:

Es kann der Frömmste nicht im Frieden bleiben,

Wenn es dem bösen Nachbar nicht gefällt.
CBL X b 60JDD S12
Schiller Wilhelm Tell durch diese hohle Gasse.. TGDD 122-1992-S30.jpg

Durch diese hohle Gasse muss er kommen

Wilhelm Tell, 4. Aufzug, 3. Szene

Tell (tritt auf mit Armbrust).
TGDD 55 (1978) S27
Datei:Hohle Gasse.jpg
Der Käse von Kirkebö, TGDD 99

Durch diese hohle Gasse muß er kommen, Es führt kein andrer Weg nach Küßnacht. – Hier

Vollend ich's – Die Gelegenheit ist günstig.

Die Bürgschaft

Die Bürgschaft
MM 52 1961 S4
MM 52 1961 S4
MM 29 1986 S5
Zu Dionys, dem Tyrannen, schlich

Möros, den Dolch im Gewande;

Ihn schlugen die Häscher in Bande.

»Was wolltest du mit dem Dolche, sprich!«

Entgegnet ihm finster der Wüterich.

»Die Stadt vom Tyrannen befreien!«

»Das sollst du am Kreuze bereuen.«


»Ich bin«, spricht jener, »zu sterben bereit

Und bitte nicht um mein Leben,

Doch willst du Gnade mir geben,

Ich flehe dich um drei Tage Zeit,

Bis ich die Schwester dem Gatten gefreit,

Ich lasse den Freund dir als Bürgen,

Ihn magst du, entrinn ich, erwürgen.«


Da lächelt der König mit arger List

Und spricht nach kurzem Bedenken:

»Drei Tage will ich dir schenken.

Doch wisse! Wenn sie verstrichen, die Frist,

Eh du zurück mir gegeben bist,

So muß er statt deiner erblassen,

Doch dir ist die Strafe erlassen.«


Und er kommt zum Freunde: »Der König gebeut,

Daß ich am Kreuz mit dem Leben

Bezahle das frevelnde Streben,

Doch will er mir gönnen drei Tage Zeit,

Bis ich die Schwester dem Gatten gefreit,

So bleib du dem König zum Pfande,

Bis ich komme, zu lösen die Bande.«

Und schweigend umarmt ihn der treue Freund

Und liefert sich aus dem Tyrannen,

Der andere ziehet von dannen.

Und ehe das dritte Morgenrot scheint,

Hat er schnell mit dem Gatten die Schwester vereint,

Eilt heim mit sorgender Seele,

Damit er die Frist nicht verfehle.

.

Da gießt unendlicher Regen herab,

Von den Bergen stürzen die Quellen,

Und die Bäche, die Ströme schwellen.

Und er kommt ans Ufer mit wanderndem Stab,

Da reißet die Brücke der Strudel hinab,

Und donnernd sprengen die Wogen

Des Gewölbes krachenden Bogen.


Und trostlos irrt er an Ufers Rand,

Wie weit er auch spähet und blicket

Und die Stimme, die rufende, schicket,

Da stößet kein Nachen vom sichern Strand,

Der ihn setze an das gewünschte Land,

Kein Schiffer lenket die Fähre,

Und der wilde Strom wird zum Meere.


Da sinkt er ans Ufer und weint und fleht,

Die Hände zum Zeus erhoben:

»O hemme des Stromes Toben!

Es eilen die Stunden, im Mittag steht

Die Sonne, und wenn sie niedergeht

Und ich kann die Stadt nicht erreichen,

So muß der Freund mir erbleichen.«


Doch wachsend erneut sich des Stromes Wut,

Und Welle auf Welle zerrinnet,

Und Stunde an Stunde entrinnet.

Da treibt ihn die Angst, da faßt er sich Mut

Und wirft sich hinein in die brausende Flut

Und teilt mit gewaltigen Armen

Den Strom, und ein Gott hat Erbarmen


Und gewinnt das Ufer und eilet fort

Und danket dem rettenden Gotte,

Da stürzet die raubende Rotte

Hervor aus des Waldes nächtlichem Ort,

Den Pfad ihm sperrend, und schnaubet Mord

Und hemmet des Wanderers Eile

Mit drohend geschwungener Keule.

»Was wollt ihr?« ruft er, für Schrecken bleich,

»Ich habe nichts als mein Leben,

Das muß ich dem Könige geben!«

Und entreißt die Keule dem nächsten gleich:

»Um des Freundes willen erbarmet euch!«

Und drei mit gewaltigen Streichen

Erlegt er, die andern entweichen.

Und die Sonne versendet glühenden Brand,

Und von der unendlichen Mühe

Ermattet sinken die Kniee.

»O hast du mich gnädig aus Räubershand,

Aus dem Strom mich gerettet ans heilige Land,

Und soll hier verschmachtend verderben,

Und der Freund mir, der liebende, sterben!«


Und horch! da sprudelt es silberhell,

Ganz nahe, wie rieselndes Rauschen,

Und stille hält er, zu lauschen,

Und sieh, aus dem Felsen, geschwätzig, schnell,

Springt murmelnd hervor ein lebendiger Quell,

Und freudig bückt er sich nieder

Und erfrischet die brennenden Glieder.


Und die Sonne blickt durch der Zweige Grün

Und malt auf den glänzenden Matten

Der Bäume gigantische Schatten;

Und zwei Wanderer sieht er die Straße ziehn,

Will eilenden Laufes vorüberfliehn,

Da hört er die Worte sie sagen:

»Jetzt wird er ans Kreuz geschlagen.«

Und die Angst beflügelt den eilenden Fuß,

Ihn jagen der Sorge Qualen,

Da schimmern in Abendrots Strahlen

Von ferne die Zinnen von Syrakus,

Und entgegen kommt ihm Philostratus,

Des Hauses redlicher Hüter,

Der erkennet entsetzt den Gebieter:

»Zurück! du rettest den Freund nicht mehr,

So rette das eigene Leben!

Den Tod erleidet er eben.

Von Stunde zu Stunde gewartet' er

Mit hoffender Seele der Wiederkehr,

Ihm konnte den mutigen Glauben

Der Hohn des Tyrannen nicht rauben.«


»Und ist es zu spät, und kann ich ihm nicht

Ein Retter willkommen erscheinen,

So soll mich der Tod ihm vereinen.

Des rühme der blutge Tyrann sich nicht,

Daß der Freund dem Freunde gebrochen die Pflicht,

Er schlachte der Opfer zweie

Und glaube an Liebe und Treue.«


Und die Sonne geht unter, da steht er am Tor

Und sieht das Kreuz schon erhöhet,

Das die Menge gaffend umstehet,

An dem Seile schon zieht man den Freund empor,

Da zertrennt er gewaltig den dichten Chor:

»Mich, Henker!« ruft er, »erwürget!

Da bin ich, für den er gebürget!«


Und Erstaunen ergreifet das Volk umher,

In den Armen liegen sich beide

Und weinen für Schmerzen und Freude.

Da sieht man kein Auge tränenleer,

Und zum Könige bringt man die Wundermär,

Der fühlt ein menschliches Rühren,

Läßt schnell vor den Thron sie führen.


Und blicket sie lange verwundert an.

Drauf spricht er: »Es ist euch gelungen,

Ihr habt das Herz mir bezwungen,

Und die Treue, sie ist doch kein leerer Wahn,

So nehmet auch mich zum Genossen an,

Ich sei, gewährt mir die Bitte,

In eurem Bunde der Dritte.«

Das Lied von der Glocke

Schillers Gedicht von der Glocke ist mit mindestens acht nachgewiesenen Zitaten das bei Fuchs meistzitierte literarische Schillersche Werk.
TGDD 141 (1996) S61
FC 108 TGDD 89 (1986) S30
FC 108 TGDD 89 (1986) 31
FC 108 TGDD 89 (1986) S32
MM 38 1961 S9.jpg
FC 108 TGDD 89 (1986) S37
FC 108 TGDD 89 (1986) S42
Traum und Wirklichkeit, TGDD 93

Das Lied von der Glocke

Fest gemauert in der Erden

Steht die Form, aus Lehm gebrannt.

Heute muß die Glocke werden.

Frisch Gesellen, seid zur Hand.

Von der Stirne heiß

Rinnen muß der Schweiß,

Soll das Werk den Meister loben,

Doch der Segen kommt von oben.

Zum Werke, das wir ernst bereiten,

Geziemt sich wohl ein ernstes Wort;

Wenn gute Reden sie begleiten,

Dann fließt die Arbeit munter fort.

So laßt uns jetzt mit Fleiß betrachten,

Was durch die schwache Kraft entspringt,

Den schlechten Mann muß man verachten,

Der nie bedacht, was er vollbringt.

Das ist's ja, was den Menschen zieret,

Und dazu ward ihm der Verstand,

Daß er im innern Herzen spüret,

Was er erschafft mit seiner Hand.

Nehmet Holz vom Fichtenstamme,

Doch recht trocken laßt es sein,

Daß die eingepreßte Flamme

Schlage zu dem Schwalch hinein.

Kocht des Kupfers Brei,

Schnell das Zinn herbei,

Daß die zähe Glockenspeise

Fließe nach der rechten Weise.

Was in des Dammes tiefer Grube

Die Hand mit Feuers Hülfe baut,

Hoch auf des Turmes Glockenstube

Da wird es von uns zeugen laut.

Noch dauern wird's in späten Tagen

Und rühren vieler Menschen Ohr

Und wird mit dem Betrübten klagen

Und stimmen zu der Andacht Chor.

Was unten tief dem Erdensohne

Das wechselnde Verhängnis bringt,

Das schlägt an die metallne Krone,

Die es erbaulich weiterklingt.

Weiße Blasen seh ich springen,

Wohl! Die Massen sind im Fluß.

Laßt's mit Aschensalz durchdringen,

Das befördert schnell den Guß.

Auch von Schaume rein

Muß die Mischung sein,

Daß vom reinlichen Metalle

Rein und voll die Stimme schalle.

Denn mit der Freude Feierklange

Begrüßt sie das geliebte Kind

Auf seines Lebens erstem Gange,

Den es in Schlafes Arm beginnt;

Ihm ruhen noch im Zeitenschoße

Die schwarzen und die heitern Lose,

Der Mutterliebe zarte Sorgen

Bewachen seinen goldnen Morgen.-

Die Jahre fliehen pfeilgeschwind.

Vom Mädchen reißt sich stolz der Knabe,

Er stürmt ins Leben wild hinaus,

Durchmißt die Welt am Wanderstabe.

Fremd kehrt er heim ins Vaterhaus,

Und herrlich, in der Jugend Prangen,

Wie ein Gebild aus Himmelshöhn,

Mit züchtigen, verschämten Wangen

Sieht er die Jungfrau vor sich stehn.

Da faßt ein namenloses Sehnen

Des Jünglings Herz, er irrt allein,

Aus seinen Augen brechen Tränen,

Er flieht der Brüder wilder Reihn.

Errötend folgt er ihren Spuren

Und ist von ihrem Gruß beglückt,

Das Schönste sucht er auf den Fluren,

Womit er seine Liebe schmückt.

O! zarte Sehnsucht, süßes Hoffen,

Der ersten Liebe goldne Zeit,

Das Auge sieht den Himmel offen,

Es schwelgt das Herz in Seligkeit.

O! daß sie ewig grünen bliebe,

Die schöne Zeit der jungen Liebe!

Wie sich schon die Pfeifen bräunen!

Dieses Stäbchen tauch ich ein,

Sehn wir's überglast erscheinen,

Wird's zum Gusse zeitig sein.

Jetzt, Gesellen, frisch!

Prüft mir das Gemisch,

Ob das Spröde mit dem Weichen

Sich vereint zum guten Zeichen.


Denn wo das Strenge mit dem Zarten,

Wo Starkes sich und Mildes paarten,

Da gibt es einen guten Klang.

Drum prüfe, wer sich ewig bindet,

Ob sich das Herz zum Herzen findet!

Der Wahn ist kurz, die Reu ist lang.

Lieblich in der Bräute Locken

Spielt der jugfräuliche Kranz,

Wenn die hellen Kirchenglocken

Laden zu des Festes Glanz.

Ach! des Lebens schönste Feier

Endigt auch den Lebensmai,

Mit dem Gürtel, mit dem Schleier

Reißt der schöne Wahn entzwei.

Die Leidenschaft flieht!

Die Liebe muß bleiben,

Die Blume verblüht,

Die Frucht muß treiben.

Der Mann muß hinaus

Ins feindliche Leben,

Muß wirken und streben

Und pflanzen und schaffen,

Erlisten, erraffen,

Muß wetten und wagen,

Das Glück zu erjagen.

Da strömet herbei die unendliche Gabe,

Es füllt sich der Speicher mit köstlicher Habe,

Die Räume wachsen, es dehnt sich das Haus.

Und drinnen waltet

Die züchtige Hausfrau,

Die Mutter der Kinder,

Und herrschet weise

Im häuslichen Kreise,

Und lehret die Mädchen

Und wehret den Knaben,

Und reget ohn Ende

Die fleißigen Hände,

Und mehrt den Gewinn

Mit ordnendem Sinn.

Und füllet mit Schätzen die duftenden Laden,

Und dreht um die schnurrende Spindel den Faden,

Und sammelt im reinlich geglätteten Schrein

Die schimmernde Wolle, den schneeigten Lein,

Und füget zum Guten den Glanz und den Schimmer,

Und ruhet nimmer.

Und der Vater mit frohem Blick

Von des Hauses weitschauendem Giebel

Überzählet sein blühend Glück,

Siehet der Pfosten ragende Bäume

Und der Scheunen gefüllte Räume

Und die Speicher, vom Segen gebogen,

Und des Kornes bewegte Wogen,

Rühmt sich mit stolzem Mund:

Fest, wie der Erde Grund,

Gegen des Unglücks Macht

Steht mir des Hauses Pracht!

Doch mit des Geschickes Mächten

Ist kein ewger Bund zu flechten,

Und das Unglück schreitet schnell.

Wohl! nun kann der Guß beginnen,

Schön gezacket ist der Bruch.

Doch bevor wir's lassen rinnen,

Betet einen frommen Spruch!

Stoßt den Zapfen aus!

Gott bewahr das Haus!

Rauchend in des Henkels Bogen

Schießt's mit feuerbraunen Wogen.

Wohltätig ist des Feuers Macht,

Wenn sie der Mensch bezähmt, bewacht,

Und was er bildet, was er schafft,

Das dankt er dieser Himmelskraft,

Doch furchtbar wird die Himmelskraft,

Wenn sie der Fessel sich entrafft,

Einhertritt auf der eignen Spur

Die freie Tochter der Natur.

Wehe, wenn sie losgelassen

Wachsend ohne Widerstand

Durch die volkbelebten Gassen

Wälzt den ungeheuren Brand!

Denn die Elemente hassen

Das Gebild der Menschenhand.

Aus der Wolke

Quillt der Segen,

Strömt der Regen,

Aus der Wolke, ohne Wahl,

Zuckt der Strahl!

Hört ihr's wimmern hoch vom Turm?

Das ist Sturm!

Rot wie Blut

Ist der Himmel,

Das ist nicht des Tages Glut!

Welch Getümmel

Straßen auf!

Dampf wallt auf!

Flackernd steigt die Feuersäule,

Durch der Straße lange Zeile

Wächst es fort mit Windeseile,

Kochend wie aus Ofens Rachen

Glühn die Lüfte, Balken krachen,

Pfosten stürzen, Fenster klirren,

Kinder jammern, Mütter irren,

Tiere wimmern

Unter Trümmern,

Alles rennet, rettet, flüchtet,

Taghell ist die Nacht gelichtet,

Durch der Hände lange Kette

Um die Wette

Fliegt der Eimer, hoch im Bogen

Sprützen Quellen, Wasserwogen.

Heulend kommt der Sturm geflogen,

Der die Flamme brausend sucht.

Prasselnd in die dürre Frucht

Fällt sie in des Speichers Räume,

In der Sparren dürre Bäume,

Und als wollte sie im Wehen

Mit sich fort der Erde Wucht

Reißen, in gewaltger Flucht,

Wächst sie in des Himmels Höhen

Riesengroß!

Hoffnungslos

Weicht der Mensch der Götterstärke,

Müßig sieht er seine Werke

Und bewundernd untergehn.

Leergebrannt

Ist die Stätte,

Wilder Stürme rauhes Bette,

In den öden Fensterhöhlen

Wohnt das Grauen,

Und des Himmels Wolken schauen

Hoch hinein.

Einen Blick

Nach den Grabe

Seiner Habe

Sendet noch der Mensch zurück –

Greift fröhlich dann zum Wanderstabe.

Was Feuers Wut ihm auch geraubt,

Ein süßer Trost ist ihm geblieben,

Er zählt die Haupter seiner Lieben,

Und sieh! ihm fehlt kein teures Haupt.

In die Erd ist's aufgenommen,

Glücklich ist die Form gefüllt,

Wird's auch schön zutage kommen,

Daß es Fleiß und Kunst vergilt?

Wenn der Guß mißlang?

Wenn die Form zersprang?

Ach! vielleicht indem wir hoffen,

Hat uns Unheil schon getroffen.

Dem dunkeln Schoß der heilgen Erde

Vertrauen wir der Hände Tat,

Vertraut der Sämann seine Saat

Und hofft, daß sie entkeimen werde

Zum Segen, nach des Himmels Rat.

Noch köstlicheren Samen bergen

Wir trauernd in der Erde Schoß

Und hoffen, daß er aus den Särgen

Erblühen soll zu schönerm Los.

Von dem Dome,

Schwer und bang,

Tönt die Glocke

Grabgesang.

Ernst begleiten ihre Trauerschläge

Einen Wandrer auf dem letzten Wege


Ach! die Gattin ist's, die teure,

Ach! es ist die treue Mutter,

Die der schwarze Fürst der Schatten

Wegführt aus dem Arm des Gatten,

Aus der zarten Kinder Schar,

Die sie blühend ihm gebar,

Die sie an der treuen Brust

Wachsen sah mit Mutterlust –

Ach! des Hauses zarte bande

Sind gelöst auf immerdar,

Denn sie wohnt im Schattenlande,

Die des Hauses Mutter war,

Denn es fehlt ihr treues Walten,

Ihre Sorge wacht nicht mehr,

An verwaister Stätte schalten

Wird die Fremde, liebeleer.

Bis die Glocke sich verkühlet,

Laßt die strenge Arbeit ruhn,

Wie im Laub der Vogel spielet,

Mag sich jeder gütlich tun.

Winkt der Sterne Licht,

Ledig aller Pflicht

Hört der Pursch die Vesper schlagen,

Meister muß sich immer plagen.

Munter fördert seine Schritte

Fern im wilden Forst der Wandrer

Nach der lieben Heimathütte.

Blökend ziehen

Heim die Schafe,

Und der Rinder

Breitgestirnte, glatte Scharen

Kommen brüllend,

Die gewohnten Ställe füllend.

Schwer herein

Schwankt der Wagen,

Kornbeladen,

Bunt von Farben

Auf den Garben

Liegt der Kranz,

Und das junge Volk der Schnitter

Fliegt zum Tanz.

Markt und Straße werden stiller,

Um des Lichts gesellge Flamme

Sammeln sich die Hausbewohner,

Und das Stadttor schließt sich knarrend.

Schwarz bedecket

Sich die Erde,

Doch den sichern Bürger schrecket

Nicht die Nacht,

Die den Bösen gräßlich wecket,

Denn das Auge des Gesetzes wacht.

Heilge Ordnung, segenreiche

Himmelstochter, die das Gleiche

Frei und leicht und freudig bindet,

Die der Städte Bau begründet,

Die herein von den Gefilden

Rief den ungesellgen Wilden,

Eintrat in der Menschen Hütten,

Sie gewöhnt zu sanften Sitten

Und das teuerste der Bande

Wob, den Trieb zum Vaterlande!

Tausend fleißge Hände regen,

helfen sich in munterm Bund,

Und in feurigem Bewegen

Werden alle Kräfte kund.

Meister rührt sich und Geselle

In der Freiheit heilgem Schutz.

Jeder freut sich seiner Stelle,

Bietet dem Verächter Trutz.

Arbeit ist des Bürgers Zierde,

Segen ist der Mühe Preis,

Ehrt den König seine Würde,

Ehret uns der Hände Fleiß.

Holder Friede,

Süße Eintracht,

Weilet, weilet

Freundlich über dieser Stadt!

Möge nie der Tag erscheinen,

Wo des rauhen Krieges Horden

Dieses stille Tal durchtoben,

Wo der Himmel,

Den des Abends sanfte Röte

Lieblich malt,

Von der Dörfer, von der Städte

Wildem Brande schrecklich strahlt!


Nun zerbrecht mir das Gebäude,

Seine Absicht hat's erfüllt,

Daß sich Herz und Auge weide

An dem wohlgelungnen Bild.

Schwingt den Hammer, schwingt,

Bis der Mantel springt,

Wenn die Glock soll auferstehen,

Muß die Form in Stücke gehen.

Der Meister kann die Form zerbrechen

Mit weiser Hand, zur rechten Zeit,

Doch wehe, wenn in Flammenbächen

Das glühnde Erz sich selbst befreit!

Blindwütend mit des Donners Krachen

Zersprengt es das geborstne Haus,

Und wie aus offnem Höllenrachen

Speit es Verderben zündend aus;

Wo rohe Kräfte sinnlos walten,

Da kann sich kein Gebild gestalten,

Wenn sich die Völker selbst befrein,

Da kann die Wohlfahrt nicht gedeihn.

Weh, wenn sich in dem Schoß der Städte

Der Feuerzunder still gehäuft,

Das Volk, zerreißend seine Kette,

Zur Eigenhilfe schrecklich greift!

Da zerret an der Glocken Strängen

Der Aufruhr, daß sie heulend schallt

Und, nur geweiht zu Friedensklängen,

Die Losung anstimmt zur Gewalt.

Freiheit und Gleichheit! hört man schallen,

Der ruhge Bürger greift zur Wehr,

Die Straßen füllen sich, die Hallen,

Und Würgerbanden ziehn umher,

Das werden Weiber zu Hyänen

Und treiben mit Entsetzen Scherz,

Noch zuckend, mit des Panthers Zähnen,

Zerreißen sie des Feindes Herz.

Nichts Heiliges ist mehr, es lösen

Sich alle Bande frommer Scheu,

Der Gute räumt den Platz dem Bösen,

Und alle Laster walten frei.

Gefährlich ist's, den Leu zu wecken,

Verderblich ist des Tigers Zahn,

Jedoch der schrecklichste der Schrecken,

Das ist der Mensch in seinem Wahn.

Weh denen, die dem Ewigblinden

Des Lichtes Himmelsfackel leihn!

Sie strahlt ihm nicht, sie kann nur zünden

Und äschert Städt und Länder ein.

Freude hat mir Gott gegeben!

Sehet! Wie ein goldner Stern

Aus der Hülse, blank und eben,

Schält sich der metallne Kern.

Von dem Helm zum Kranz

Spielt's wie Sonnenglanz,

Auch des Wappens nette Schilder

Loben den erfahrnen Bilder.

Herein! herein!

Gesellen alle, schließt den Reihen,

Daß wir die Glocke taufend weihen,

Concordia soll ihr Name sein,

Zur Eintracht, zu herzinnigem Vereine

Versammle sich die liebende Gemeine.

Und dies sei fortan ihr Beruf,

Wozu der Meister sie erschuf!

Hoch überm niedern Erdenleben

Soll sie im blauen Himmelszelt

Die Nachbarin des Donners schweben

Und grenzen an die Sternenwelt,

Soll eine Stimme sein von oben,

Wie der Gestirne helle Schar,

Die ihren Schöpfer wandelnd loben

Und führen das bekränzte Jahr.

Nur ewigen und ernsten Dingen

Sei ihr metallner Mund geweiht,

Und stündlich mit den schnellen Schwingen

Berühr im Fluge sie die Zeit,

Dem Schicksal leihe sie die Zunge,

Selbst herzlos, ohne Mitgefühl,

Begleite sie mit ihrem Schwunge

Des Lebens wechselvolles Spiel.

Und wie der Klang im Ohr vergehet,

Der mächtig tönend ihr entschallt,

So lehre sie, daß nichts bestehet,

Daß alles Irdische verhallt.

Jetzo mit der Kraft des Stranges

Wiegt die Glock mir aus der Gruft,

Daß sie in das Reich des Klanges

Steige, in die Himmelsluft.

Zehet, ziehet, hebt!

Sie bewegt sich, schwebt,

Freude dieser Stadt bedeute,

Friede sei ihr erst Geläute.

Wallensteins Tod

Leichtfertig ist die Jugend mit dem Wort

TGDD 49
TGDD 68 (1981) S34
TGDD 105 (1990) S65
Wallensteins Tod – 2. Aufzug, 2. Auftritt

WALLENSTEIN:

Schnell fertig ist die Jugend mit dem Wort,

Das schwer sich handhabt, wie des Messers Schneide;

Aus ihrem heißen Kopfe nimmt sie keck

Der Dinge Maß, die nur sich selber richten.

Ich kenne meine Pappenheimer

WDC 60 MM 11 1952 S7
Wallensteins Tod – 3. Aufzug, 15. Auftritt

....

Gefreiter.

Unsre Kameraden

Zu Braunau, Budweis, Prag und Olmütz haben

Bereits gehorcht, und ihrem Beispiel folgten

Die Regimenter Tiefenbach, Toscana.

– Wir aber glauben’s nicht, daß du ein Feind

Und Landsverräter bist, wir halten’s bloß

Für Lug und Trug und spanische Erfindung.

(Treuherzig.) Du selber sollst uns sagen, was du vorhast,

Denn du bist immer wahr mit uns gewesen,

Das höchste Zutraun haben wir zu dir,

Kein fremder Mund soll zwischen uns sich schieben,

Den guten Feldherrn und die guten Truppen.

Wallenstein.

Daran erkenn ich meine Pappenheimer.

...

Die Sterne lügen nicht

US 31 b TGDD 31 (1972) S12
Wallensteins Tod – 3. Aufzug, 9. Auftritt

...Terzky.

Hätt‘ man mir geglaubt!

Da siehst du’s, wie die Sterne dir gelogen!

Empfehlungen Lektüreschlüssel und Biografien

Wallenstein (richtet sich auf).

Die Sterne lügen nicht, das aber ist

Geschehen wider Sternenlauf und Schicksal.

Die Kunst ist redlich, doch dies falsche Herz

Bringt Lug und Trug in den wahrhaft’gen Himmel.

Nur auf der Wahrheit ruht die Wahrsagung;

Wo die Natur aus ihren Grenzen wanket,

Da irret alle Wissenschaft. War es

Ein Aberglaube, menschliche Gestalt

Durch keinen solchen Argwohn zu entehren,

O nimmer schäm ich dieser Schwachheit mich!

Religion ist in der Tiere Trieb,
MM 18 1982 S12
Es trinkt der Wilde selbst nicht mit dem Opfer,

Dem er das Schwert will in den Busen stoßen.

Das war kein Heldenstück, Octavio!

Nicht deine Klugheit siegte über meine,

Dein schlechtes Herz hat über mein gerades

Den schändlichen Triumph davongetragen.

Kein Schild fing deinen Mordstreich auf, du führtest

Ihn ruchlos auf die unbeschützte Brust,

Ein Kind nur bin ich gegen solche Waffen. ...

Weitere Werke

So wankelmütig ist die Gunst des Volkes

TGDD 16,BL-WDC-23
Demetrius II. Aufzug, 1. Szene

Hiob:

Der Völker Herz ist wankelmütig, Fürstin,

Sie lieben die Veränderung, sie glauben

Durch eine neue Herrschaft zu gewinnen.

Der Lüge kecke Zuversicht reißt hin,

Das Wunderbare findet Gunst und Glauben.

Narrenspossen

MM 5 1954 S04
Aus dem Gredicht "Bacchus im Triller"

... Fort, Bärnhäuter! tummle dich! Unser Witz, aus Glas gekerbet,

Wie der Blitz ist er zerscherbet;

Soll dich nicht der Triller treiben,

Laß die Narrenspossen bleiben!

Hasts verstanden? Denk an mich!

Wüster Vogel, packe dich!

Siehe, die Sonne Homers, sie leuchtet auch hier

MM 33 1978 S30
Aus dem Gedicht "Der Spaziergang"

...

Ewig wechselt der Wille den Zweck und die Regel, in ewig

    Wiederholter Gestalt wälzen die Thaten sich um.

Aber jugendlich immer, in immer veränderter Schöne

    Ehrst du, fromme Natur, züchtig das alte Gesetz!

Immer dieselbe, bewahrst du in treuen Händen dem Manne,

    Was dir das gaukelnde Kind, was dir der Jüngling vertraut,

Nährest an gleicher Brust die vielfach wechselnden Alter;

    Unter demselben Blau, über dem nämlichen Grün

Wandeln die nahen und wandeln vereint die fernen Geschlechter,

    Und die Sonne Homers, siehe! sie lächelt nach uns.

Es wallet und siedet und brauset und zischt

MM 11 1963 S5

Genug des grausamen Spiels

MM 7 1966 S 9
Beide Zitate stamme aus dem Balladengedicht "Der Taucher"

...

Das hörte die Tochter mit weichem Gefühl,

Und mit schmeichelndem Munde sie fleht:

»Laßt, Vater, genug sein das grausame Spiel,

Er hat Euch bestanden, was keiner besteht,

Und könnt Ihr des Herzens Gelüsten nicht zähmen,

So mögen die Ritter den Knappen beschämen.«

...

Und es wallet und siedet und brauset und zischt,

Wie wenn Wasser mit Feuer sich mengt,

Bis zum Himmel spritzet der dampfende Gischt,

Und Flut auf Flut sich ohn Ende drängt,

Und will sich nimmer erschöpfen und leeren,

Als wollte das Meer noch ein Meer gebären.

...

Böse Früchte trägt die böse Tat.

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Ein schlechter Verlierer DO 02 31 03

Die Braut von Messina oder die feindlichen Brüder Denn das Gute liebt sich das Gerade, Böse Früchte trägt die böse Saat.

Der Not gehorchend, nicht dem eigenen Triebe

MM 14 1981 S34
Die Braut von Messina oder die feindlichen Brüder

Das Zitat bildet den Anfang des Stücktextes:

ISABELLA.

Der Not gehorchend, nicht dem eignen Trieb,

Tret ich, ihr greisen Häupter dieser Stadt,

Heraus zu euch aus den verschwiegenen

Gemächern meines Frauensaals, das Antlitz

Vor euren Männerblicken zu entschleiern.

Dem Manne kann geholfen werden

US 27 MM 28 1961 S03
MM 10 1964 S13
TGDD 104 (1989) S30
MM 33 1980 S9
Die Räuber, 5. Akt, 2. Szene

...

RÄUBER MOOR.

Man könnte mich darum bewundern. Nach einigem Nachsinnen. Ich erinnere mich, einen armen Schelm gesprochen zu haben, als ich herüberkam, der im Taglohn arbeitet und eilf lebendige Kinder hat – Man hat tausend Louisdore geboten, wer den großen Räuber lebendig liefert – dem Mann kann geholfen werden.

Er geht ab.

wie vom Donner gerührt

TGDD 139 (1995) S19
Don Carlos, Sechzehnter Auftritt

...

Marquis (zieht die Prinzessin mit Gewalt von ihm).     

Ich ermorde Sie, wenn Sie ihn hören. (Zu einem von den Officieren.)

Graf von Cordua. Im Namen des Monarchen.

        (Er zeigt den Verhaftsbefehl.)

Der Prinz ist Ihr Gefangener.

(Carlos steht erstarrt, wie vom Donner gerührt. Die Prinzessin stößt einen Laut des Schreckens aus und will fliehen, die Officiere erstaunen. Eine lange und tiefe Pause. Man sieht den Marquis sehr heftig zittern und mit Mühe seine Fassung behalten.)

(Zum Prinzen.)

Die schönsten Träume der Freiheit werden im Kerker geträumt

MM 17 1975 S32
Briefe über Don Carlos. 2. Brief

... Das entgegengesetzte Elend der Sklaverei und des Aberglaubens zieht sie immer fester und fester an diese Lieblingswelt; die schönsten Träume von Freiheit werden ja im Kerker geträumt....

Was tun, spricht Zeus

Die Teilung der Erde
WDC 109 MM 5 1952 S04
»Nehmt hin die Welt!« rief Zeus von seinen Höhen

Den Menschen zu. »Nehmt, sie soll euer sein!

Euch schenk ich sie zum Erb und ewgen Lehen,

Doch teilt euch brüderlich darein.«

Da eilt, was Hände hat, sich einzurichten,

Es regte sich geschäftig jung und alt.

Der Ackermann griff nach des Feldes Früchten,

Der Junker birschte durch den Wald.

Der Kaufmann nimmt, was seine Speicher fassen,

Der Abt wählt sich den edeln Firnewein,

Der König sperrt die Brücken und die Straßen

Und sprach: »Der Zehente ist mein.«

Ganz spät, nachdem die Teilung längst geschehen,

Naht der Poet, er kam aus weiter Fern;

Ach! da war überall nichts mehr zu sehen,

Und alles hatte seinen Herrn!

»Weh mir! so soll ich denn allein von allen

Vergessen sein, ich, dein getreuster Sohn?«

So ließ er laut der Klage Ruf erschallen

Und warf sich hin vor Jovis Thron.

»Wenn du im Land der Träume dich verweilet«,

Versetzt der Gott, »so hadre nicht mit mir.

Wo warst du denn, als man die Welt geteilet?«-

»Ich war«, sprach der Poet, »bei dir.

Mein Auge hing an deinem Angesichte,
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Retter in der Not TGDD110
An deines Himmels Harmonie mein Ohr-

Verzeih dem Geiste, der, von deinem Lichte

Berauscht, das Irdische verlor!«

»Was tun?« spricht Zeus. »Die Welt ist weggegeben,

Der Herbst, die Jagd, der Markt ist nicht mehr mein.

Willst du in meinem Himmel mit mir leben:

So oft du kommst, er soll dir offen sein.«

Was tun, sprach Zeus, die Götter sind besoffen.

In diesem zu einer Redensart gewordenen Zitat wird vollständige Ratlosigkeit zum Ausdruck gebracht:

Was tun sprach Zeus, die Götter sind besoffen und vollgekotzt ist der Olymp.“

Donner und Doria

WDC 134 MM 6 1952 S5
US 61 MMB 43-48 1966 S 36
US 6 MM 40 1958 S11
Die Verschwörung des Fiesco zu Genua – 1. Akt, 5. Auftritt

...

GIANETTINO.

Geh in die Hölle mit deinem Republikaner! Der Zorn eines Vasallen und meine Leidenschaft! Das heißt, der Leuchtturm muß einstürzen, wenn Buben mit Muscheln darnach werfen. Die drei schwarzen Masken treten mit großen Bewegungen näher. Hat darum Herzog Andreas seine Narben geholt in den Schlachten dieser Lumpenrepublikaner, daß sein Neffe die Gunst ihrer Kinder und Bräute erbetteln soll? Donner und Doria! Diesen Gelust müssen sie niederschlucken, oder ich will über den Gebeinen meines Oheims einen Galgen aufpflanzen, an dem ihre genuesische Freiheit sich zu Tod zappeln soll. Die drei Masken treten zurück.

...

Da haben wir die Bescherung

MM 3 1976 S35
Kabale und Liebe, 2. Akt, 5. Szene

Ferdinand von Walter stürzt erschrocken und außer Atem ins Zimmer.

Die Vorigen.

FERDINAND. War mein Vater da?

LUISE fährt mit Schrecken auf. Sein Vater! Allmächtiger Gott!

Zugleich.

FRAU schlägt die Hände zusammen. Der Präsident! Es ist aus mit uns!

MILLER lacht voll Bosheit. Gottlob! Gottlob! Da haben wir ja die Bescherung!

FERDINAND eilt auf Luisen zu und drückt sie stark in die Arme. Mein bist du, und wärfen Höll und Himmel sich zwischen uns.

LUISE. Mein Tod ist gewiß – Rede weiter – Du sprachst einen schrecklichen Namen aus – dein Vater?

FERDINAND. Nichts. Nichts. Es ist überstanden. Ich hab dich ja wieder.[791] Du hast mich ja wieder. O laß mich Atem schöpfen an dieser Brust. Es war eine schreckliche Stunde.

LUISE. Welche? Du tötest mich!

FERDINAND tritt zurück und schaut sie bedeutend an. Eine Stunde, Luise, wo zwischen mein Herz und dich eine fremde Gestalt sich warf – wo meine Liebe vor meinem Gewissen erblaßte – wo meine Luise aufhörte, ihrem Ferdinand alles zu sein – –

Luise sinkt mit verhülltem Gesicht auf den Sessel nieder.

...

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BL WDC-07-45

Mir steht der Verstand still

Kabale und Liebe, 3. Akt, 2. Szene Praͤſident. (...) Was wiſſen Sie hierauf zu ſagen?

Hofmarſchall. (mit einem Schaafsgeſicht) Mein Verſtand ſteht ſtill.

Praͤſident. Das koͤnnte noch hingehen. (...)

Mein Verstand steht still

TGDD 117 (1992) S50
Kabale und Liebe, 3. Akt, 2. Szene

...

HOFMARSCHALL. Sind Sie von Sinnen?

PRÄSIDENT. Das hat er geantwortet. Das war er schon willens ins Werk zu richten – Davon hab ich ihn kaum noch durch meine höchste Erniedrigung abgebracht. Was wissen Sie hierauf zu sagen?

HOFMARSCHALL mit einem Schafsgesicht. Mein Verstand steht still.

PRÄSIDENT. Das könnte noch hingehen. Aber zugleich hinterbringen mir meine Spionen, daß der Oberschenk von Bock auf dem Sprunge sei, um die Lady zu werben.

HOFMARSCHALL. Sie machen mich rasend. Wer sagen Sie? Von Bock, sagen Sie? – Wissen Sie denn auch, daß wir Todfeinde zusammen sind? Wissen Sie auch, warum wir es sind?

PRÄSIDENT. Das erste Wort, das ich höre.

...

Eilende Wolken, Segler der Lüfte

MM 2 1975 S4
Maria Stuart, 3. Akt, 1. Auftritt

Maria.

O dank, dank dieſen freundlich gruͤnen Baͤumen,

Die meines Kerkers Mauern mir verſtecken!

Ich will mich frei und gluͤcklich traͤumen,

Warum aus meinem ſuͤßen Wahn mich wecken?

Umfaͤngt mich nicht der weite Himmelsſchoos?

Die Blicke, frei und feſſellos,

Ergehen ſich in ungemeßnen Raͤumen.

Dort, wo die grauen Nebelberge ragen,

Faͤngt meines Reiches Graͤnze an,

Und dieſe Wolken, die nach Mittag jagen,

Sie ſuchen Frankreichs fernen Ocean.

Eilende Wolken! Segler der Luͤfte!

Wer mit euch wanderte, mit euch ſchiffte!

Gruͤßet mir freundlich mein Jugendland!

Ich bin gefangen, ich bin in Banden,

Ach, ich hab' keinen andern Geſandten!

Frei in Luͤften iſt eure Bahn,

Ihr ſeid nicht dieſer Koͤnigin unterthan.

Freude schöner Götterfunken

MM 43 1971 S4
Beginn der Ode "An die Freude"

An die Freude

Freude, schöner Götterfunken,

Tochter aus Elysium1,

Wir betreten feuertrunken

Himmlische, dein Heiligtum.

5Deine Zauber binden wieder,

Was der Mode Schwert geteilt;

Bettler werden Fürstenbrüder,

Wo dein sanfter Flügel weilt.

...

Raum ist in der kleinsten Hütte

MM 26 1962 S11
Der Jüngling am Bache

An der Quelle saß der Knabe,

Blumen wand er sich zum Kranz,

Und er sah sie fortgerissen,

Treiben in der Wellen Tanz.

»Und so fliehen meine Tage

Wie die Quelle rastlos hin!

Und so bleichet meine Jugend,

Wie die Kränze schnell verblühn!

Fraget nicht, warum ich traure

In des Lebens Blütenzeit!

Alles freuet sich und hoffet,

Wenn der Frühling sich erneut.

Aber diese tausend Stimmen

Der erwachenden Natur

Wecken in dem tiefen Busen

Mir den schweren Kummer nur.

Buchcover Sämtliche Gedichte und Balladen von Friedrich SchillerSammelband: Sämtliche Gedichte und Balladen

Was soll mir die Freude frommen,

Die der schöne Lenz mir beut?

Eine nur ists, die ich suche,

Sie ist nah und ewig weit.

Sehnend breit ich meine Arme

Nach dem teuren Schattenbild,

Ach, ich kann es nicht erreichen,

Und das Herz bleibt ungestillt!

Komm herab, du schöne Holde,

Und verlaß dein stolzes Schloß!

Blumen, die der Lenz geboren,

Streu ich dir in deinen Schoß.

Horch, der Hain erschallt von Liedern,

Und die Quelle rieselt klar!

Raum ist in der kleinsten Hütte

Für ein glücklich liebend Paar.«

Ein Mann ein Wort!

Pegasus im Joche

...

Die Flügel zwar, spricht er, die schaffen keinen Nutzen;

Doch die kann man ja binden oder stutzen,

Dann ist das Pferd zum Ziehen immer gut.

Ein zwanzig Pfund, die will ich wohl dran wagen;

Der Täuscher, hoch vergnügt die Waare loszuschlagen,

Schlägt hurtig ein. „Ein Mann, ein Wort!“

Und Hans trabt frisch mit seiner Beute fort.

...

Eine Leichenfantasie

MM 49 1971 S10.jpg
MM 49 1971 S11
Mit erstorbnem Scheinen

Steht der Mond auf totenstillen Hainen,

Seufzend streicht der Nachtgeist durch die Luft –

Nebelwolken schauern,

Sterne trauern

Bleich herab, wie Lampen in der Gruft.

Gleich Gespenstern, stumm und hohl und hager,

Zieht in schwarzem Totenpompe dort

Ein Gewimmel nach dem Leichenlager

Unterm Schauerflor der Grabnacht fort.

Zitternd an der Krücke,

Wer mit düsterm, rückgesunknem Blicke,

Ausgegossen in ein heulend Ach,

Schwer geneckt vom eisernen Geschicke,

Schwankt dem stumm getragnen Sarge nach?

Floß es Vater von des Jünglings Lippe?

Nasse Schauer schauern fürchterlich

Durch sein gramgeschmolzenes Gerippe,

Seine Silberhaare bäumen sich. –

Aufgerissen seine Feuerwunde!

Durch die Seele Höllenschmerz!

Vater floß es von des Jünglings Munde,

Sohn gelispelt hat das Vaterherz.

Eiskalt, eiskalt liegt er hier im Tuche,

Und dein Traum, so golden einst, so süß!

Süß und golden, Vater, dir zum Fluche!

Eiskalt, eiskalt liegt er hier im Tuche!

Deine Wonne und dein Paradies. –

Mild, wie umweht von Elysiumslüften,

Wie aus Auroras Umarmung geschlüpft,

Himmlisch umgürtet mit rosigten Düften,

Florens Sohn über das Blumenfeld hüpft,

Flog er einher auf den lachenden Wiesen,

Nachgespiegelt von silberner Flut,

Wollustflammen entsprühten den Küssen,

Jagten die Mädchen in liebende Glut.

Mutig sprang er im Gewühle der Menschen,

Wie auf Gebirgen ein jugendlich Reh,

Himmelum flog er in schweifenden Wünschen,

Hoch wie der Adler in wolkigter Höh,

Stolz wie die Rosse sich sträuben und schäumen,

Werfen im Sturme die Mähnen umher,

Königlich wider den Zügel sich bäumen,

Trat er vor Sklaven und Fürsten daher.

Heiter wie Frühlingstag schwand ihm das Leben,

Floh ihm vorüber in Hesperus‘ Glanz,

Klagen ertränkt‘ er im Golde der Reben,

Schmerzen verhüpft‘ er im wirbelnden Tanz.

Welten schliefen im herrlichen Jungen,

Ha! wenn er einsten zum Manne gereift –

Freue dich, Vater! – im herrlichen Jungen

Wenn einst die schlafenden Keime gereift.

Nein doch, Vater – Horch! die Kirchhoftüre brauset,

Und die ehrnen Angel klirren auf –

Wie’s hinein ins Grabgewölbe grauset! –

Nein doch, laß den Tränen ihren Lauf. –

Geh, du Holder, geh im Pfad der Sonne

Freudig weiter der Vollendung zu,

Lösche nun den edeln Durst nach Wonne,

Gramentbundner, in Walhallas Ruh –

Wiedersehen – himmlischer Gedanke! –

Wiedersehen dort an Edens Tor!

Horch! der Sarg versinkt mit dumpfigem Geschwanke,

Wimmernd schnurrt das Totenseil empor!

Da wir trunken umeinanderrollten,

Lippen schwiegen und das Auge sprach –

Haltet! haltet! – da wir boshaft grollten –

Aber Tränen stürzten wärmer nach – –

Mit erstorbnem Scheinen

Steht der Mond auf totenstillen Hainen,

Seufzend streicht der Nachtgeist durch die Luft.

Nebelwolken schauern,

Sterne trauern

Bleich herab wie Lampen in der Gruft.

Dumpfig schollerts überm Sarg zum Hügel,

O, um Erdballs Schätze, nur noch einen Blick!

Starr und ewig schließt des Grabes Riegel,

Dumpfer – dumpfer schollerts überm Sarg zum Hügel,

Nimmer gibt das Grab zurück.