Geister und Gespenster

Aus Alleswisser_Update
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Wie der Themenbereich Religion gehört der Bereich Geister und Gespenster zu den von Disney tabuisierten Themen, vielleicht  weil der Bereich des „Übersinnlichen“ und Paranormalen eine gewisse Nähe zum Themenbereich Religion aufweist. Aus seiner Arbeit in den Disney-Studios wusste Carl Barks, dass er in Bezug auf übersinnliche Phänomene vorsichtig sein musste. Diese könnten sehr jungen Leserinnen und Lesern Angst machen, was vermieden werden sollte. Trotzdem tauchen in Barks-Geschichten und damit auch bei Barks/Fuchs immer wieder vermeintlich übersinnliche Phänomene auf. In den deutschen Übertragungen durch Erika Fuchs werden Geister und Gespenster oft massiv verändert, gelegentlich sogar ganz wegretuschiert. In der deutschen Fassung der Geschichte „das Geheimnis der Eisenbahnaktien“[1] wurden z.B. alle gespenstischen Szenen gestrichen. Barks verzichtet in seinen Geschichten meist darauf, Gespenster zu zeigen und überlässt der Phantasie der Leserinnen und Leser, sich diese „Wesen“ vorzustellen. Barks stand immer wieder vor dem Problem, die Tabus seiner Auftraggeber zu beachten und andererseits etwas Spannendes zu schreiben und zu zeichnen, wozu sich Geschichten mit geheimnisvollen Phänomen besonders eignen. Er löste dieses Problem auf elegante Weise.

Spuk als Tarnung von Verbrechern

In der Geschichte „Das Gespenst von Duckenburgh“[2] sind die Ducks auf der Suche nach dem verschollenen Familienschatz in der Burg von Dagobert Ducks Ahnen in Schottland. Dabei bekommen es die Ducks mit einem unheimlichen Gegner zu tun, den sie für ein Gespenst halten. Barks stellt es zunächst so dar, als wäre das „Gespenst“ unsichtbar, bricht dann aber das Tabu, etwas Übersinnliches zu zeichnen.

Donald Duck-Heftausschnitt [TGDD 1/1 (1965) 11].


Das Ringen mit dem geheimnisvollen Gegner, von dem man nur gelegentlich einen gespenstischen  Schatten zu sehen bekommt, macht die Abenteuergeschichte sehr spannend. Erst kurz vor dem Schluss der Geschichte löst Barks das Rätsel um das „Gespenst“ auf: Es handelt sich um einen gewissenlosen  Verbrecher, der in die Rolle von Dagoberts treuem Verwalter geschlüpft ist, um in Ruhe den Schatz zu suchen und in seine Gewalt zu bringen. Bei Barks und auch Barks/Fuchs gibt es also eine rationale Erklärung für das vermeintlich übersinnliche Phänomen des Gespensts. Die tatsächliche Existenz von Übersinnlichem scheidet damit als Erklärungsmodell aus.

Spuk als Mittel der Abschreckung

MM 49 (1967) 30.

In der Geschichte „Das Münstermännchen“[3] hat Dagobert Duck große Mühe, seine Flöte wiederzubekommen, die ihm im Entenhausener Münster abhandengekommen ist. Angeblich soll es in dieser Kirche ein Gespenst geben, das Münstermännchen genannt wird. Dagobert Duck glaubt nicht daran, dass es in Kirchen Gespenster gibt, aber er bekommt es mit einem geheimnisvollen Unbekannten zu tun. Es stellt sich heraus, dass es sich nicht um ein Gespenst handelt, sondern um einen harmlosen heimlichen Bewohner des Münsters, der das Gerücht von dem angeblichen Gespenst nützt, um unbehelligt Münzen aus einem Wünschelbrunnen herauszuholen und heimlich daraus ein Modell des Gotteshauses anzufertigen. Der Hobbymodellbauer tarnt sich nur als eine Art Gespenst, um allzu neugierige Personen vor Nachforschungen abzuschrecken. Auch in dieser Geschichte gibt es also eine rationale Erklärung für ein vermeintlich übernatürliches Phänomen.

Spuk aus naturwissenschaftlicher Sicht

Bei einer weiteren Gruppe von Geschichten spielen mysteriöse Vorgänge in der Natur eine wichtige Rolle, z.B. in „Der fliegende Holländer“ [4]. Als Dagobert Duck sich auf die Suche nach einem sagenumwobenen Kaufmannsschiff macht, das vor 300 Jahren mit wertvoller Ladung gesunken ist, stoßen er und die jüngeren Ducks auf das Schiff, das allgemein als „Geisterschiff“ angesehen wird. Das Schiff schwebt allem Anschein nach über den Welle und segelt gegen den Wind, wie es der Sage entspricht. Während die Erwachsenen beginnen, die Sage von dem Geisterschiff für bare Münze zu nehmen, halten die Kinder Tick, Trick und Track sie für reinen Aberglauben. Dagobert Duck kommt schließlich zu der Überzeugung, dass es Gespenster gibt und ein Fluch auf dem Geisterschiff liegt. Erst als die Kinder aufgrund ihrer schulischen Kenntnisse eine natürliche Erklärung für die merkwürdige Erscheinung des Fliegenden Holländers am Horizont abgeben, ändert er seine Meinung.

Onkel Dagobert-Heftausschnitt [MM 10 (1960) 13].


Er ist gerne bereit, die naturwissenschaftlicher Erklärung für die Erscheinung des vermeintlichen Geisterschiffs zu akzeptieren, dass Magnetstürme und Sonnenflecken zu Spiegelungen weit entfernter Objekte führen können. Schließlich finden die Ducks heraus, dass das Schiff im Eis festgefroren ist. Die Legende vom Geisterschiff ist naturwissenschaftlich nicht haltbar. Sie ist bestenfalls Aberglaube.  Bei Barks und Barks/Fuchs gibt es immer eine rationale Erklärung, sodass die tatsächliche Existenz von Übersinnlichem als Erklärungsmodell ausscheidet. Dies dürfte auch Barks` Überzeugung entsprechen, denn er nannte Übersinnliches „hokum“, was sich mit „Mumpitz“, „Quatsch“ oder „Unsinn“ übersetzen lässt.  Barks glaubte nicht an Geister oder Gespenster. Ob er auch nicht an Gott glaubte, lässt sich nicht hundertprozentig belegen, denn es ist keine direkte Äußerung seinerseits dazu bekannt. Wenn man sich aber vor Augen hält, dass er mit dem christlichen Weihnachtsfest nichts anzufangen wusste, und es für „Humbug“ hielt, dann könnte man daraus schließen, dass er auch die Existenz Gottes ausschloss.  Barks erfüllte zumindest teilweise die Vorgaben seines Verlags, einen großen Bogen um den transzendenten Bereich zu machen, indem er naturwissenschaftliche Erklärungen für vermeintliche Phänomene aus dem Bereich des Übernatürlichen anbot.


[1] MM 43 (1967) 14-16. 32-37 und 44 (1967) 12-16. 32. 34-37. [TGDD 70/2]

[2] TGDD 1/1 (1965) 3-34.

[3] MM 48 (1967) 10-16. 35-38, MM 49 (1967) 16. 30-38. 40 und MM 50 (1967) 34-38. 40. TGDD 71/2

[4] MM 8 (1960) 37-40, MM 9 (1960) 15-16, 32-39 und MM 10 (1960) 10-15. [TGDD 39/2]