Friedhöfe in Entenhausen

Aus Alleswisser_Update
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Die Mitarbeiter von Disney waren gehalten, eine Reihe von Tabu-Themen zu meiden, u.a. den spiritistisch-religiösen und transzendenten Bereich, also Religion und Gott. Auch der Themenbereich Sterben gehörte dazu, denn die Geschichten sollten einfach nur unterhaltsam sein und die Hauptzielgruppe, Kinder, nicht ängstigen oder verschrecken. Da Friedhöfe eng mit dem Thema Sterben zu tun haben und starke Bezüge zu Religion vorhanden sind, war die Erwähnung oder Darstellung von Friedhöfen in Barks-Geschichten und bei deren deutschen Fassungen (Barks/Fuchs) nicht unproblematisch. Trotzdem gibt es sie gelegentlich, z.B. in der Geschichte  „Das Gespenst von Duckenburgh“ [1]. Die Ducks reisen auf der Suche nach dem im Mittelalter verschollenen Familienschatz nach Schottland auf die Burg von Dagobert Ducks Ahnen. Zur Burg gehört auch ein Friedhof, auf dem die Ducks Nachforschungen anstellen. Während aber das Schloss weitgehend werkgetreu gezeichnet ist, sind es die Gräber nicht, denn es fehlen die Kreuze oder andere Verweise darauf, dass die Verstorbenen Christen waren.

TGDD 1/1 (1966) 26.

Auf christlichen Friedhöfen gehören Kreuze dazu, denn Christinnen und Christen haben schon immer Wert darauf gelegt, unter dem Zeichen des Kreuzes bestattet zu werden. Dies trifft erst recht auf Friedhöfe aus dem Mittelalter zu, in dem es selbstverständlich war, sich auch nach dem Tod zu seinem Glauben zu bekennen. Das wäre sicherlich auch im Fall von Dagobert Ducks Vorfahren der Fall gewesen. Grabsteine ohne Kreuz oder einen anderen Bezug auf den christlichen Glauben hätte es also nicht gegeben. Das muss Carl Barks gewusst haben, denn er studierte historische Vorlagen genau und orientierte sich meist an Bild-vorlagen und Beschreibungen, v.a. aus dem Monatsmagazin „National Geographic“. Barks legte großen Wert auf einen besonders realistischen Stil und glaubwürdige Darstellungen, fügte aber manchmal aus künstlerischen Gründen fantastische Elemente hinzu und änderte Vorlagen phantasievoll ab. Im Falle der Gräber auf dem Friedhof der Duckenburgh ist kein Grund dafür ersichtlich, warum er von historischen Vorlagen abgewichen ist und die Kreuze weggelassen hat. Die Existenz des Friedhofs der Duckenburgh ist ein Beleg für Bestattungskultur im Umfeld der Ducks und verweist darauf, dass das Thema Tod in den Barks-Geschichten und auch bei Barks/Fuchs nicht per se ausgeklammert wurde. Es stellt sich aber die Frage, warum Barks die Kreuze auf den Grabmälern weggelassen hat. Ein Vergleich mit anderen Zeugen christlicher Kultur ergibt kein einheitliches Bild. Die Geschichte „Im alten Kalifornien“[2] spielt in dem Barks bestens bekannten Tal von San Jacinto. Es war für Carl Barks deshalb nicht nötig, auf Vorlagen zurückzugreifen, um eine christliche Mission aus der spanischen Zeit zu zeichnen.

Bild aus Fachartikel: Blum, Geoffrey: Altes und neues Kalifornien, in: ders. (Hg.): Carl Barks Collection. Herausgegeben und kommentiert von Geoffrey Blum. Filderstadt: Egmont Horizont Verlag 2008 (Carl Barks Collection 9, 1951-1952) 47, bearbeitet.
Bild aus Fachartikel: Blum, Geoffrey: Altes und neues Kalifornien, in: ders. (Hg.): Carl Barks Collection. Herausgegeben und kommentiert von Geoffrey Blum. Filderstadt: Egmont Horizont Verlag 2008 (Carl Barks Collection 9, 1951-1952) 47, bearbeitet.

Wenn man Barks` Darstellung mit einem Photo der Mission San Capristano vergleicht, fällt auf, dass sich Barks an dem Gotteshaus orientiert hat, aber das Kreuz auf der Vorderseite seiner Comicversion weggelassen hat. Wenn man bedenkt, dass für Christen das Kreuz nichts Nebensächliches ist, sondern etwas ganz Wesentliches, und wenn man auch bedenkt, dass der christliche Glaube für Gläubige eine entscheidende Rolle für den Umgang mit dem Sterben spielt, dann könnte dies ein wichtiger Hinweis darauf sein, wie Barks – und mit ihm die Fassungen von Barks/Fuchs – mit dem Thema Sterben umgegangen sind. Erika Fuchs hat ja in aller Regel die Bildfassungen von Barks übernommen und sich textlich an den amerikanischen Originalen orientiert, wenn auch für die deutsche Leserschaft adaptiert. Für Christinnen und Christen ist das Kreuz DAS Zeichen ihres Glaubens und ihrer Religionsgemeinschaft. Darüber hinaus ist das Kreuz nicht nur Erinnerung an Jesu Opfertod und Auferstehung, sondern ein Zeichen der Hoffnung, auch einmal zu neuem, ewigem Leben auferweckt und in die Gemeinschaft mit Gott aufgenommen zu werden. Hat Carl Barks das Kreuz auf den Gräbern des Friedhofs der Duckenburgh weggelassen, weil für ihn das Kreuz und die christliche Friedhofskultur keine Rolle spielten? Ein Blick auf wichtige Gebäude Entenhausens, bei denen man Kreuze erwarten könnte, könnte aufschlussreich sein. Tatsächlich gibt es viele Kirchen, v. a. das Entenhausener Münster.

MM 49 (1967) 30.

Auf diesem Ausschnitt erkennt man deutlich, dass sich ein Wetterhahn auf einem der Türme befindet. Dies ist oft bei evangelischen Kirchen der Fall. Auch ohne das weithin sichtbare Kreuz als Zeichen des Christentums sind evangelische Kirchen Orte des Glaubens. Außerdem findet sich ein Kreuz, wenn auch etwas versteckt, auf einer der Statuen. Es dürfte sich um ein sog. lothringisches Kreuz handeln. Auf den meisten Entenhausener Kirchturmspitzen sind entweder Wetterhähne oder gar kein Schmuck zu sehen. Anders könnte es im Fall der folgenden Kirche sein:

TGDD 86/3 (1986) 66]: Großes Schlussbild.

Eine Ausschnittvergrößerung lässt vermuten, dass diese Kirche ein einfaches  Kreuz schmückt.

TGDD 86/3 (1986) 66: Ausschnittvergrößerung.

Auf einem von Barks` Verlag verworfenen Eingangsbild zu einer Halloweengeschichte sieht man eine Kirche ohne Kirchturm mit Schmuck, aber auch eine Friedhofsszene mit nicht nur einem, sondern mehreren Grabsteinen in Kreuzform.

Ursprüngliches Eingangsbild für die Geschichte „Spendieren oder Schikanieren" [Blum, Geoffrey: Änderungen an der Friedhofsszene, in: ders. (Hg.): Carl Barks Collection. Herausgegeben und kommentiert von Geoffrey Blum, Filderstadt: Egmont Horizont Verlag.

Daraus lässt sich schließen, dass Barks es nicht grundsätzlich abgelehnt oder vermieden hat, Kreuze zu zeichnen. Vielleicht zeichnete er Kreuze, wenn es ihm sinnvoll erschien, z.B. um die Eingangsszene der Halloweengeschichte authentischer wirken zu lassen. Halb umgefallene christliche Grabmale tragen zu einer schaurig-schönen Stimmung bei und könnten zum Lesen motivieren. Wenn Barks aber meist auf Kreuze verzichtet hat, dann könnte das auch daran liegen, dass er sich an die Vorgabe von Disney gehalten hat, explizit Religiöses zu vermeiden. Andererseits scheute sich Barks oft nicht, selbst hochbrisante Themen aufzugreifen, wenn es ihm darauf ankam. Es gelang ihm immer wieder, verbotene Themen in seine Comics einzuschleusen. Warum hat er es dann im Fall der Grabsteine auf dem Friedhof der Duckenburgh nicht versucht? Der Grund dürfte der sein, dass Barks mit großer Wahrscheinlichkeit nicht an die Auferstehung der Toten geglaubt hat. Er war vermutlich Atheist oder zumindest Agnostiker, so dass er keinen Wert auf das Kreuz als Symbol für die christliche Hoffnung auf Auferstehung und ein Weiterleben nach dem Tod gelegt hat.


[1] MM 49 (1961) 3-34. [TGDD 171]
[2] TGDD 94/4 (1988) 39-66.