Entenhausener Münster

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"Das ist das Münster von Entenhausen, der Stolz der Stadt! Nicht ganz so alt, wie es aussieht, aber umrankt von Legenden und ausgestattet mit einigen echten Geheimnissen."[1]

Hinweis: Auf dem Kongress 2023 in Frankfurt wurde von Uwe Wackerhagen die Gegenthese vorgestellt, dass das Münster keineswegs ein Sakralbau, sondern eine Attraktion aus der Entenhausener Weltausstellung sei, die vom Abbruch verschon geblieben wäre. Die Publikation des Beitrages steht noch aus, die wissenschaftliche Diskussion ist daher noch keineswegs abgeschlossen.

Einleitung[2]

In der Geschichte „Das Münstermännchen“ wird ausführlich über einen Sakralbau in Entenhausen berichtet, der einige hochinteressante Merkmale aufweist. Ziel des Verfassers ist es, zu überprüfen, zu welchen Schlussfolgerungen die Anwendung von interpretativen Grundlagen auf diesen Entwurf eines Bauwerkes führt, wenn man von der Hypothese ausgeht, dass es vom Zeichner als geplant und in sich konsistent ausgeführt wurde. Tatsächlich ist das nicht der Fall, da der Zeichner das Ziel des Erzählens einer Geschichte verfolgt und nicht auf architekturhistorische Präzision abzielt, sodass es für ihn bedeutungslos ist, inwiefern der Bau "stilecht" bzw. „historisch konsistent“ ist oder nicht. Doch genau dieses Erzählen verdient auch in Details Beachtung und eventuell Neudeutung - ein Grundanliegen aller Exegese.

Ich möchte meine Ausführungen in vier Teile gliedern. Im Sinne der wissenschaftlichen Redlichkeit wird zunächst über die angewendete Methodik Rechenschaft abzulegen sein, um einerseits Nachvollziehbarkeit, andererseits Disputabilität herzustellen. Weiter wird der Frage nach dem Zusammenhang des Standortes mit dem gesamten Stadtbild nachzugehen sein; dem folgt eine erste Annäherung an architektonische Merkmale, um eine zeitliche Einordnung der Entstehung des Baues zu versuchen. Nicht zuletzt wird eine Erörterung der Ausstattung und des Dekors dieses imposanten Baues versucht. Den Abschluss soll eine Theorie des Münsters bilden, die auch die Frage nach dessen Sakralcharakter mit einschließt.

Zunächst ist allerdings noch darauf hinzuweisen, dass auch andere verdiente Forscher hier einiges geleistet haben: Ernst Horst hat bereits vor geraumer Zeit einen ersten Angang in der Münsterkunde unternommen; ihm sei für seine aus meiner Sicht in der donaldistischen Szene nicht ausreichend gewürdigte Vorarbeit zu diesem Problem an dieser Stelle ausdrücklich gedankt.[3]

Alle in diesem Beitrag verwendeten Abbildungen sind der Erzählung "Das Münstermännchen" in der Version des TGDD 71 (1982) entnommen.

Methodik

Es liegt im Wesen analytischer Methoden, dass sie versuchen, Einzelparameter eines Objektes aus dessen Gesamtbild herauszutrennen (vgl. die Grundbedeutung von griech. he lysis, die Trennung) und sie miteinander und zu existierenden Bezugsgrößen – ihrerseits im Idealfall selbst Resultate wissenschaftlicher Forschung – neu in Beziehung zu setzen, um somit zu einer neuen Interpretation des Objekts in seiner Gesamtheit zu gelangen. Da im folgenden Beitrag zum überwiegenden Teil analytisch vorgegangen werden soll und nur die Schlusshypothesen synthetischer Natur sind, müssen Bezugsgrößen vorausgesetzt werden. Diese sind im Wesentlichen die Folgenden:

  1. Im Anaversum sind Gebäude grundsätzlich analog zum Anthropoversum aufgebaut. Ein Wohnhaus ist von seiner Funktionalität her gedacht und als solches erkennbar eingerichtet; darin befindliche Objekte wie z.B. Möbelstücke werden analog zu ihrer Verwendung im Anthopoversum eingesetzt – ein Bett dient zum Schlafen, ein Tisch, um darauf zu essen; ein Fabriksgebäude dient der Fertigung; ein schulförmiges Gebäude der Heranbildung des Nachwuchses. Es wird daher davon ausgegangen, dass diese Analogie auch für das Münster gilt.
  2. Die gar nicht so seltenen Bezüge auf Sakralität (notabene: ich spreche hier nicht von Religion, sondern von einer wie auch immer artikulierten Bezugnahme auf das Numinose als „fascionosum et tremendum“), die durch die Berichterstatter Barks/Fuchs in ihrem Gesamtopus immer wieder platziert werden, sind – bedingt durch die Lebensumgebung der beiden – grundsätzlich in einer jüdisch-christlichen Tradition ausgerichtet. Die von beiden im Alltag erlebte Präsenz des „ganz Anderen“ in Riten, Gebäuden und mitunter vielleicht in konkreter Lebenseinstellung hat das Gesamtwerk geprägt. Es wird daher auch für diesen konkreten Bericht von dieser Prägung auszugehen sein.[4]
  3. Das Münster ist – wie E. Horst nachgewiesen hat – mit dem Entwurf zur Restaurierung bzw. Fertigstellung der Kathedrale Notre Dame zu Reims verwandt, d.h. der Wiedergabe von Barks liegt eine sachlich argumentierbare Verwandtschaft mit der (neu)gotischen Kathedralarchitektur in Frankreich zugrunde.[5]
  4. Das „switchen“ zwischen Anaversum und Anthropoversum ist in der Geschichte selbst bereits angelegt – die ausdrückliche Erwähnung des Stephansdomes in Wien (Abb. 1a) ist nicht nur ein simpler Größenhinweis, sondern erlaubt die Schlussfolgerung, dass nicht nur wir von den Anatiden, sondern auch diese von uns wissen. Eine „Durchlässigkeit“ muss also – wie schon verschiedentlich diskutiert – als wahrscheinlich angenommen werden.

Auf der Basis dieser Überlegungen sollen die folgenden Ausführungen verstanden werden.

Einordnung im Stadtbild und geografische Orientierung

Das Lehnwort „Münster“ vom lat. monasterium (Kloster) bezeichnet bis zum Hochmittelalter ein Kirchengebäude, das an einen Konvent angeschlossen ist. Dies ist bereits ein Bedeutungswandel zur Verwendung des Terminus in der frühen Kirche bzw. in der Väterzeit, in der mit monasterium eine Einsiedelei bezeichnet wird, also die Aufenthaltsstätte eines Anachoreten.[6] Im Gegensatz dazu steht das Coenobium, das mehreren Mönchen einen Wohnort bietet.

Ab dem 13. Jahrhundert begann sich im deutschen Sprachraum der Begriff des „Klosters“ für diese Einrichtung durchzusetzen; zur selben Zeit begann eine Emanzipation des eingedeutschten „Münsters“ vom mönchischen Umfeld und seine Verknüpfung mit der Bischofskirche bzw. mit „aufwändig gestalteten städtischen Pfarrkirchen“[7] auch ohne die Notwendigkeit eines Bischofssitzes.

Es ist mithin schon aus der Begriffsgeschichte ersichtlich, dass es sich bei einem Münster um einen Sakralbau[8] handelt, und zwar um einen aus der christlichen Tradition, der mit Sicherheit nach der ersten Jahrtausendwende entstanden ist.

Drei wichtige Aussagen sind dieser Abbildung zu entnehmen: Das Münster ist „der Stolz der Stadt“, es ist „nicht ganz so alt, wie es aussieht“ und es „soll so groß sein wie der Stephansdom in Wien“. Aus dem Schattenwurf der Bäume (kurze Schatten: nahe der Mittagszeit) lässt sich auch schon eine grobe Ost-West-Orientierung des Baues ableiten). TGDD 71/ 1982, 44, Bild 7.

Das Entenhausener Münster ist inmitten einer parkähnlichen Freifläche im Stadtzentrum lokalisiert. Die geografische Ausrichtung entspricht dabei, wie am Schattenwurf der Totale leicht zu sehen ist, einer klassischen Anordnung des Großkirchenbaues der christlichen Tradition: Das Hauptportal öffnet sich nach Osten,[9] sodass durch dieses und eine Fensterrose oberhalb die aufgehende Sonne die Hauptachse des Baukörpers mit Licht durchflutet und die Westapsis beleuchtet, in der klassischerweise Retabel und Altar angeordnet sind. Entsprechend verläuft das Querhaus in Nord-Süd-Richtung; spannend ist hier die Größenordnung der Seitenportale und die Tatsache, dass im südlichen Arm des Querhauses ein Brunnen mit sakraler Bedeutung oberirdisch zu finden ist, über dessen Zweck später noch mehr zu sagen sein wird.

Die großzügige Freifläche rund um das Münster gibt Rätsel auf. Üblicherweise sind derartige Bauten aus der Zeit vor 1820[10] mit einem relativ kleinen Freiraum umgeben, da der durch Stadtmauer und Befestigungsanlagen eingehegte Platz in einer Stadt zu ihrer Entstehungszeit knapp und daher kostbar war. Vergleichbare Bauten wie die Münster zu Freiburge, Basel oder Ulm sowie der Stephansdom zu Wien (der ja ausdrücklich als Referenzbau genannt wird) stehen auf vergleichsweise kleinen Plätzen. Dagegen sind neugotische Bauten aus dem späten 19. Jahrhundert sehr wohl in die Mitte von Parkanlagen gebaut worden bzw. war der jeweilige Park schon von Anbeginn Teil des Baukonzeptes, um den Baukörper in seiner Wucht und Höhe noch deutlicher erfahrbar zu machen, wie die Grazer Herz-Jesu-Kirche oder die Votivkirche zu Wien. Das Münster ist jedoch mit Sicherheit nicht neugotisch, sondern deutlich älter, wie die Befunde vor allem des Fundamentbereiches belegen (dazu weiter unten mehr)

Andererseits ist aus der frühen Zeit des Kirchenbaues bis zur Zeit der großen Pestepidemien bekannt, dass Friedhöfe rund um Kirchen angelegt wurden; je größer und bedeutender die Kirche, desto größer der zugehörige Friedhof, da der Gedanke der möglichst raschen Teilhabe an den himmlischen Herrlichkeiten mit einer möglichst großen Nähe zum Zentrum der irdischen Religiosität verbunden wurde.[11] Spätestens mit der Zeit der Aufklärung ging diese Tradition in Europa verloren;[12] ähnliches wäre auch für Entenhausen denkbar.

Optionen für die Erklärung dieser großen parkähnlichen Fläche sind also:

  • Spätes Errichtungsdatum (keine Befestigungsanlagen mehr, daher wohlfeile Flächen; Einbeziehung des Umlandes als architektonisches Mitgestaltungsmittel)
  • Zentraler Friedhof für die EinwohnerInnen der Stadt, der später aufgelassen und aus Pietätsgründen nicht verbaut, sondern ausgespart bzw. sogar begrünt wurde (wieder: Stephansdom bzw. angloamerikanischer Friedhofsstil)
  • Ursprünglich verbaute Fläche, deren Bausubstanz aus unbekannten Gründen verfiel oder geschliffen wurde und die aus ebenso unbekannten Gründen nicht mehr als Bauland genutzt wurde.

Rein hypothetisch wäre zu letzterer These folgendes denkbar: Wie bereits schlüssig nachgewiesen wurde, gibt es in Entenhausen keine Priester bzw. Priesterinnen;[13] allerdings sind (selten) letzte Abkömmlinge einer Mönchstradition zu sehen: Erasmus der Eremit,[14] der sich in die völlige Einsamkeit am Kickmiquik-Fluss zurückgezogen hat; der Schnee-Einsiedel in den Höhlen der Gebirgswelt oder der knickerige Kohlrabiapostel,[15] ja sogar der Professor auf der Kohldampfinsel:

Bruder Erasmus, der Eremit. TGDD 78/ 1984, 11, Bild 6.
Der Professor auf der Kohldampfinsel entsagt der Möglichkeiten der Macht und verweist auf die Tugend der Demut; vgl. Mt 11,29. TGDD 7/ 1966, 26, Bild 1.

Sie leben in Weltabgeschiedenheit und Bedürfnislosigkeit; auch die geradezu gnostische Geringschätzung ihrer leiblichen Existenz verweist einerseits auf anachoretische Traditionen, andererseits möglicherweise auf tiefe Trauer über die verlorengegangene Bedeutung ihrer Lebensweise. Zudem schwärmt Bruder Erasmus (man beachte die monastische Anredeform!) für das klassische kirchliche Instrument, die Orgel, in möglichst großer Dimension.

Es bietet sich eine Hypothese an, die auch die Bezeichnung des Baues als Münster erklären würde: Es war möglicherweise in der Erstbesiedelungszeit Entenhausens tatsächlich Teil eines großen Komplexes aus monastischen Gebäuden, die aber rasch an Bedeutung verloren, verfielen und – wie es oft vorkam – als Baumaterial für andere Gebäude benutzt wurden, mit Ausnahme des Münsters selbst, das als „heiliger Bau“ zu wichtig war, um als Steinbruch verwendet zu werden. Die wenigen verbleibenden Mönche besannen sich ihrer spirituellen Aufgabe und kehrten dem Großstadtgetriebe den Rücken, um in der Einsamkeit für das Gemeinwohl kontemplativ tätig zu sein.

Es wird zu prüfen sein, welche der genannten Optionen die wahrscheinlichste ist.

Dimensionen und Vergleich mit ähnlichen Bauwerken

Die bekannte Aussage, dass das Münster so groß sein soll wie der Stephansdom in Wien, liefert zwar einen ersten Anhaltspunkt, ist aber durch genauere Ermittlungen der relevanten Größen zu erhärten oder zu widerlegen, könnte dies doch auch Ausdruck einer lokalen Volksüberlieferung sein, um die historische Bedeutung des Baues in einen bestimmten Referenzrahmen zu setzen.

Durch einen Größenvergleich mit der Körpergröße bekannter Personen einerseits in der Totalen und andererseits im Detail des Südportals werden zwar nicht absolute Maße, sehr wohl aber Größenverhältnisse erkennbar. Analog zum Ansatz des Protagoras von Abdera[16] wird die lokale Sonderform der Ente zum Maß dieses Vergleiches, der zur besseren Verdeutlichung mit dem Faktor 1,5 in unsere Meter umgerechnet wird.[17]

Das Münster hat einen kreuzförmigen Grundriss. Dies ist eine Entwicklung, die von der alten Form der romanischen Basilika (eigentlich "Königshalle", vom gr. Basileus, König) weiterführt, die ein schlichter rechteckiger (wenn auch mitunter mehrschiffiger) Raum war; angesichts der Präsenz von Fenstern im Obergaden wird dennoch von einer basilikalen Anlage auszugehen sein.

Der vom Autor rekonstruierte Grundriss des Münsters.

Der Grundriss, der sich aus der Überschneidung eines dreischiffigen Langhauses mit einem einschiffigen Querhaus ergibt, folgt pragmatischen Anforderungen (Platz in der Nähe des Altarraumes), hat aber auch einen theologischen Grund: Es wird damit ein Kreuz als Glaubenszeichen errichtet, das so groß ist, dass Gott und die Seligen es vom Himmel aus ohne Mühe erkennen können; natürlich ist auch der Gedanke des "begehbaren" Kreuzes, das ja in seiner Innengestaltung klassischerweise Bilder, Reliefe und Statuen sowie Kunstgegenstände aus der christlichen ikonografischen Tradition aufweist, nicht unwichtig. Erste noch heute erhaltene Zeugnisse dieser Baukonzeption lassen sich bereits im 5. Jh. nachweisen.[18] Allerdings wird die Konzeption erst in der Gotik durch eigene Seitenportale im Querschiff und detailreiche Fenstergestaltung verfeinert.

Triforium und Obergaden sind im Gewände des Langhauses gut zu erkennen. TGDD 71/ 1982, 48, Bild 1.


Bevor nun eine voreilige Einstufung des Baues als "gotisch" vorgenommen wird, sei zur Vorsicht gemahnt: "Die Gotik" als solche gibt es nicht. Wie Rolf Toman nachgewiesen hat, wird unter dieser Bezeichnung eine nach Ort, Zeit und spiritueller Einordnung höchst unterschiedliche Gemengelage von architektonischen Merkmalen zusammengefasst,[19] die ähnlich inhomogen ist wie die Bezeichnung aller Einwohner Europas rechts des Rheins bis zur Oder um 300 als "Germanen". Daher wird hier genauer hinzusehen sein.

Architektonisch drängen sich in der Anlage des Münsters von Entenhausen zunächst die Hinweise auf die hochgotische Baukunst Frankreichs auf: Die Ausführung in von außen gestützten Jochen, die kunstvollen Fialen und Drei- und Mehrfachpasse in Fernsterhäuptern und Brüstungsdekor, die Teilung des Gewändes in Basis, Triforium und Obergaden, die durch einfache Kreuzrippenverbände gehaltenen Gewölbe lassen als erste Anmutung eine Entstehung des Baues (immer vorausgesetzt, dass sich die Nachbauhypothese nicht doch durchsetzt) frühestens Mitte des 13. Jahrhunderts vermuten.[20] Dafür lassen sich auch die durchgehenden Bündelsäulen mit vorgelagerten Diensten und mit den Kämpfern am Übergang zu den Gewölberippen als mögliche Indizien anführen.

Andererseits haben die Architekten des Münsters Anleihen in der Architektur der Antike genommen (wie an den geradezu ionisch anmutenden Säulenbasen und an einem Teil der Säulen selbst, die als einfache Rundsäulen ausgeführt sind, zu erkennen ist) und wagen in der Bemalung ihrer Kuppeln einen kühnen Vorgriff auf etwas, was erst in der Renaissance wieder zur gängigen architektonischen Dekoration wird, nämlich auf das apotheotische Deckengemälde.

An sich erst ab dem 16. Jahrhundert gebräuchlich: apotheotische Deckengemälde. TGDD 71/ 1982, 51, Bild 4.

Dies könnte auf eine Entstehung des Baues nach 1500 hindeuten; eine mögliche Erklärung ist allerdings auch die Annahme von nicht stilgerechten Reparaturen nach Kriegsschäden. Wie allgemein bekannt ist, wurde ja vor der langen Phase, in der Entenhausen von Krieg und Kriegsgeschrei verschont blieb, eine Schlacht unmittelbar vor den Toren des damals noch wesentlich kleineren Gemeinwesens ausgefochten; leicht kann es dabei zu Beschädigung des Gebäudes durch fehlgeleitetes Artilleriefeuer gekommen sein (die Bauform der damals verwendeten Kanonen machte hohe Feuerpräzision unmöglich).[21]

Sehen wir von dieser Kriegsschadenhypothese ab, so sind diese Beobachtungen dadurch erklärlich, dass die monastischen Erbauer der Gesamtanlage hervorragend ausgebildete Gelehrte mit starken Bezügen zur Antike gewesen sein dürften; vielleicht hat ihnen ihre visionäre Qualität eine problematische Beziehung zur Amtskirche beschert, sodass sie zur Errichtung ihrer Abtei an einem damals zweifellos abgelegenen Ort gezwungen waren. Die Kirchengeschichte zeigt, dass ein solches Erleben für charismatische und intellektuelle Bewegungen in den jeweiligen Amtskirchen nicht außergewöhnlich war.

Nun zu den Maßen, die tatsächlich beeindruckend sind:[22]

Mit einer Gesamtlänge von 103 m, einer Gesamtbreite von 52 m und einer Höhe von 53 m (First) bzw. 144 m (Vierungsturm) reiht sich das Münster durchaus in die Rangliste der Großkirchen ein. Das Langhaus weist eine Breite von 24 m in drei Schiffen von 6 / 12 / 6 m Breite, das einschiffige Querhaus eine solche von 16 m auf. Diese Proportionen vermitteln einen Eindruck von ungebändigt in die Höhe strebender und mitreißender Dynamik. Die das Langhaus untergliedernden Säulen sind als Bündelpfeiler mit durchlaufenden Diensten ausgeführt. Die Jochbögen sind massiv und gegliedert, die Kreuzrippen einfach und mit einem kaum verzierten Schlussstein versehen.

Das Triforium des Langhauses ist durch einfaches Maßwerk verziert; die Fenster des Obergadens, die das Langhaus beleuchten, sind erstaunlicherweise minimal gegliedert und spannen sich über das gesamte Joch; ein Indiz dafür, dass auch die Glasmacherkunst zur Errichtungszeit der Architektur kaum nachstand.

Das Langhaus ist gegliedert in die das Ostportal flankierenden Türme, fünf Joche mit einem Abstand von je 7 m, den Einschnitt des Querhauses, weitere zwei Joche und den dann folgenden und durch 4 Joche gegliederten Chorschluss. Dabei entspricht die Breite des Chores der Breite des Mittelschiffes des Langhauses. Die Seitenstreben, die aus Strebepfeilern und Strebebogen bestehen, fangen den enormen Seitenschub der steinernen Dachkonstruktion ab und sind entsprechend der unterschiedlichen Gebäudebreite im Chorbereich einfach, im Langhausbereich doppelt ausgeführt. Dass der Chorbereich deutlich abgesetzt ist, weist auf die Präsenz zahlreicher Kleriker hin, die ihr Stundengebet ("Chorgebet") hier verrichtet haben; ein weiteres Indiz für die monastischen Ursprünge dieses Bauwerkes. Interessanterweise sind die Chorschranken (die ja eigentlich nur in einem breiteren Chor Sinn machen und einen Umgang ermöglichen würden) in das Mittelschiff vorgezogen, während der Lettner an der Position zu sein scheint, an der man ihn liturgisch erwarten würde, nämlich an der Grenze zwischen Chor und Vierung.

Die Portale, die in etwa idente Größen haben, was sich aus den Maßen des Innenraumes und der Türme ergibt, haben eine Breite von 9m und eine Höhe von 16m. Sie werden durch keinerlei Torflügel verschlossen; zumindest das Südportal verfügt über keine wie auch immer geartete sichtbare Zugangssperre. Da bekannt ist, dass die Winter in Entenhausen sehr streng sein können, ist nicht völlig nachvollziehbar, warum dem so ist. Die die Portale flankierenden Türme sind - ungewöhnlich für eine so frühe Errichtungsphase - ident ausgeführt und vor allem durchgängig vollendet; ihre Turmspitze liegt bei 117 m. Über den Portalen des Querschiffes - nachgewiesen für das Süd-, als sicher anzunehmen für das Nordportal - sind beeindruckende Portalrosen erkennbar: die untere mit einer Mittenhöhe von 28 m weist einen Radius von 7 m auf, die obere entsprechend 42 und 5,6 m. Ob auch über dem Hauptportal entsprechende Rosen angebracht sind, ist nach dem derzeitigen Stand der Forschung nicht zu entscheiden, kann aber als wahrscheinlich angenommen werden.

In der metrischen Übertragung fallen hier die häufig verwendeten Vielfachen und Teiler von 7 auf. Hier ist Vorsicht geboten: Zwar wird im gegenwärtigen Entenhausen durchaus das metrische System verwendet, doch für eine lang zurückliegende Errichtungszeit ist dies natürlich außer Betracht zu lassen. Hier wäre eine konsequente allegorische Auslegung der Größenverhältnisse eher ein Indiz für die Nachbauthese. Es bleibt eine offene Frage an die Wissenschaft, vor allem die donaldische Mediävistik, welche Maßeinheiten der Errichtung des Münsters zugrunde gelegen haben könnten; denn dass die Architekten aller Kathedralen selbstverständlich mit massiver Zahlensymbolik arbeiteten, ist evident und hinreichend belegt.

Die folgende Vergleichstabelle zeigt, dass das Münster allerdings den Vergleich mit anderen Sakralbauten ähnlichen Stils nicht zu scheuen braucht:

Bauwerk, Ort Gesamtlänge Größte Breite Firsthöhe Turmhöhe (max.)
Münster, Entenhausen (St. Georg?) 103 52 53 144
St. Stephan, Wien 107 34 37,5 136,4
St. Elisabeth, Marburg 70 30 ca. 40 80
St. Quen, Rouen 137 25,5 ca. 40 87 (unvoll.)
ULF, Freiburg 127 30 42 116

Anmerkung: Die Gesamtbreite des Münsters umfasst die Querschiffe inkl. der vorgelagerten Turmbasis und den Portalstufen.

Bauliche Besonderheiten

Der Brunnen im Südportal und die „Katakomben“

Dass in einer Kathedrale ein Brunnen bzw. eine gefasste Quelle vorhanden ist, ist keine alltägliche, aber auch keine völlig unbekannte Erscheinung. In der Krypta von Chartres etwa existiert ein Brunnen mit einem mehr als 30 m langen Tunnelrohr, das in einem quadratischen Becken mündet und wesentlich älter ist als der Bau selbst, möglicherweise sogar spätkeltischen Ursprungs. Dieser Brunnen, der lange Zeit verschüttet und erst im Rahmen von Ausgrabungen im 20. Jahrhundert wieder freigelegt wurde, hat in zweifacher Hinsicht Sinn: einerseits als Spender des Wassers, das ja im christlichen Kontext eine große religiöse Bedeutung hat (Taufsakrament) und schon – wenn man bei der Theorie der keltischen Entstehung bleiben würde – in der keltischen Mythologie eine zentrale Rolle spielte. Vermutlich ist das der Grund dafür, dass unmittelbar an der Aussenmauer des Münsters ein gefülltes Wasserbecken ist, das immerhin so tief ist, dass der Sturz eines Lebewesens aus ca. 35 m Höhe glimpflich ausfällt.

"Platsch": Spurobold fällt aus 35 m Höhe in das Becken, ohne Schaden zu nehmen; das lässt Rückschlüsse auf die Tiefe zu. TGDD 71/ 1982, 61, Bild 3.

Wasser dient andererseits als Alltags- und Gebrauchsmedium. Hier ist die Anmerkung wichtig, dass die Portalhallen mittelalterlicher Großkirchen auch für profane Zwecke verwendet wurden, etwa als Marktort oder Gerichtsort. Und nicht zuletzt dürften die Mechanismen, die zum Öffnen und Schließen der schweren Steintüren in diversen Pfeilern verwendet werden, mit Wasserkraft betrieben werden.

Eine schwere Steinplatte („Rums!“) wird mit einem Fingerdruck bewegt – hydraulischer Antrieb, möglicherweise durch ein System mit Gegengewichten und entleerbaren Wasserbehältern, wie sie schon von Heron skizziert wurden? TGDD 71/ 1982, 64, Bild 4.

Der Brunnen des Münsters ist (vermeintlich) sehr tief, so tief, dass man von einem an einem Faden in die Tiefe gelassenen Gegenstand nicht sagen kann, ob er bereits im Wasser eingetaucht ist oder nicht, so zumindest der erste Eindruck. Dieser Interpretation muss ich mich verschließen. Um bei dem großen Durchmesser des Brunnens, der ja offenbar mindestens 3 m beträgt, den Wasserspiegel nicht mehr erkennen zu können, ist auch bei den dämmrigen Lichtverhältnissen in der Vorhalle eine Tiefe von mindestens dem zwanzigfachen Durchmesser anzunehmen, wodurch sich 60 m ergeben würden. Es scheint eher so zu sein, dass das Eintauchen in die Wasserfläche nicht erkennbar ist, weil das von den Brunnenfiguren herabströmende Wasser eine Oberflächenbewegung verursacht, die das Eintauchen verschleiert.


Legen wir statische Überlegungen zugrunde und lehnen uns an Konstruktionen wie dem Freiburger Münster an, so ist davon auszugehen, dass die Fundamente des Objektes – nach den oben dargelegten Maßen – zumindest 20 m tief in die Erde gegraben (bzw. zumindest teilweise in Fels gehauen) sind. Die Brunnensohle müsste nochmals tiefer liegen, um eine Ableitung dieses potentiell für die Bausubstanz gefährlichen Wassers sicherzustellen, sodass die Brunnensohle wohl realistisch auf ca. 22 m liegen dürfte. So erklärt sich auch, dass die Brunnenwand bis zu einer begrenzten Höhe wasserhaltend, ab dieser aber wasserdurchlässig ist und dass sich dahinter zumindest ein Gang verbirgt, der auch in andere einmündet: Dieses klug durchdachte System von Drainagen sorgt dafür, dass bei unkontrolliert starkem Wasserzulauf der Pegel nicht über eine bestimmte Höhe steigen kann, sondern abfließen muss.

Dieses Gangsystem erschließt auch einen Teil der Krypta des Münsters, die auch als „Katakomben“ bezeichnet wird. Ist diese Bezeichnung sachlich korrekt? Diese Frage verdient nähere Befassung.

Bei Betrachtung des verwendeten Baumaterials stechen drei verschiedene Ausführungen ins Auge, die wohl auch mit drei verschiedenen Bauphasen korrespondieren dürften: In den Fels gehauene Gänge, Befestigung durch Schlichtung von Bruchsteinen und regelrecht aus behauenen Steinen aufgeführte Mauern und Treppen.

Der in den Fels gehauene Teil scheint der älteste zu sein. Er umfasst neben einem großen Zentralraum, der einen annähernd rechteckigen Grundriss hat und ca. 5x8x3m misst, ein System von Gängen, das von ihm abgeht und zum Teil in Gänge übergeht, die aus behauenen Steinen gesetzt sind. Auch Teile des massiven Fundamentes des Münsters ragen in diese Hohlräume hinein; sie wurden also offenbar bei der Fundamentierung angeschnitten, aber nicht zugeschüttet, wohl, weil ihre Entwässerungsfunktion in extremen Wettersituationen so wichtig war. Diese sind aber offenbar schon längere Zeit nicht mehr eingetreten, sodass die Gänge relativ trocken zu sein scheinen. Brunnen und gehauenes Gangsystem scheinen mithin wesentlich älter als der Bau des Münsters zu sein.

Zentralraum des (vergessenen) Gangsystems: in den Fels gehauene Gänge werden vom gesetzten Mauerwerk angeschnitten, hier wohl ein Fundamentteil der Portaltürme des Südwerkes. TGDD 71/ 1982, 64, Bild 7.

Der Brunnen selbst ist zum Teil aus behauenen Steinen, zum Teil aus Bruchsteinen geschichtet. Die Zonen gehen ineinander über; die Steine sind ab der wasserdurchlässigen Zone nicht vermörtelt und werden durch eine sinnreiche Gewölbeschichtung an ihrem Platz gehalten.

Die Zugänge zu diesem Bereich sind relativ großzügig angelegte Treppen in den Fundamenten zumindest einer Haupttragesäule. Wahrscheinlich sind sie so groß dimensioniert, um bei Servicearbeiten wie Reinigung oder Instandhaltung besser zugänglich zu sein, andererseits versteckt, damit die ausgewogene architektonische Konzeption des Münsters nicht durch eine profane Servicetür unterbrochen wird. Dass diese Zugänge in Vergessenheit geraten sind, ist ein weiteres Indiz dafür, dass schon über einen langen Zeitraum (mehr als zwei Beschäftigungszyklen der Bauhütte des Münsters, die unbedingt vermutet werden muss) keine Servicearbeiten im Untergrund mehr vorzunehmen waren.

Die dem Personal bekannten „Katakomben“ befinden sich also wohl – wie es zu vermuten ist – im vorderen Teil des Hauptschiffes unter jener Zone, an der man den Hauptaltar vermuten würde. Dort ist traditionell der Ort der Krypta, der Grablege bedeutender Persönlichkeiten (z.B. des zuständigen Bischofs, Abtes oder Regenten). Diese Krypta spielt in der Geschichte des Münstermännchens keine Rolle, es ist auch nicht belegbar, ob eine Verbindung zwischen dem vergessenen System an Wartungs- und Entwässerungsgängen und jener besteht.

Hier macht uns die Bezeichnung „Katakomben“ hellhörig. Damit wurden in der Antike bzw. im frühen Christentum unterirdische Grabstätten in Form von langen, in den Fels gehauenen Gangsystemen bezeichnet, die sich über mehrere Kilometer erstrecken können und in Wandnischen Platz für die Körper der Abgeschiedenen bieten.[23] In den Verfolgungszeiten dienten diese Orte als Räume für die Gottesdienste der christlichen Gemeinden, da die Teilnahme an einem solchen mit Lebensgefahr verbunden war und sie daher nur im Geheimen gefeiert werden konnten.

Aus den aufgezählten Tatsachen lässt sich nach meiner Einschätzung folgende Hypothese ableiten: Der Gebäudekomplex des Münsters wurde auf einem bereits existierenden Heiligtum errichtet, wohl einem, das mit der Quelle an diesem Ort zusammenhing und – ablesbar am unterirdischen Zentralraum – der Platz für Zusammenkünfte und Kulthandlungen war. Diese Tradition war bei der Errichtung des Münsters noch zumindest in der Erinnerung der Bevölkerung präsent, was zur Integration des Brunnens in die südliche Vorhalle geführt hat; sie geriet aber später in Vergessenheit und überlebte nur noch in den beiden magischen Bräuchen des Münzopfers[24] und der Aufladung von Objekten mit dem Mana der Wiederauffindbarkeit. Diese Übernahme sakraler Plätze und deren Inkulturierung ist eine typische Vorgangsweise für christliche Sakralbauten in Missionsgebieten.

Woher freilich die Fische im Münsterbrunnen kommen, ist mir völlig unerklärlich. Wenn auch der Fisch ein wichtiges Motiv des Neuen Testamentes und in der Symbolwelt des frühen Christentums ist, so würde man ihn doch eher in der Form künstlerischer Darstellung und weniger als lebendiges Wesen an dieser Stelle erwarten.

Dekor und Ausgestaltung

Schutzfiguren mit magischer Abwehrfunktion? TGDD 71/ 1982, 60, Bild 1.

Bereits bei der Betrachtung der äußeren baulichen Merkmale sticht nicht nur die detailliert ausgeführte Applikation von baulichem Zierat ins Auge, sondern auch der reiche figurale Schmuck der Anlage. Insbesondere die Türme tragen Nischen, die mit teilweise überlebensgroßen Figuren ausgestattet sind; die große Anzahl an Wasserspeiern verweist ebenso wie das bereits erwähnte Drainagesystem auf ein einkalkuliertes Risiko starker Niederschläge. Im Bereich der Brüstung, die die Absturzsicherung des Wandelganges oberhalb des Triforiums bildet, finden sich einerseits dekorative Arbeiten, die an Vasen bzw. Amphoren erinnern und möglicherweise stilisierte Öllampen sind; andererseits sind lebendig kolorierte Greifen und andere geflügelte Fabelwesen mit kynoider Kopfform zahlreich vorhanden.

Der Zweck derartig ausgestalteter Figurinen an der Aussenfassade einer Kirche ist meist kein rein dekorativer, sondern hat mit einer mittelalterlich-magischen Auffassung von apotropäischem Schutzzauber zu tun, zumal diese Figuren in einer Höhe angebracht sind, die mit freiem Auge kaum mehr die ganze Figur, geschweige denn Details erkennen lassen. Auch hier gibt es Besonderheiten, die ins Auge fallen: Etliche dieser Skulpturen stehen in Nischen, die sie dem Blick von aussen entziehen und schauen nach innen, als wollten sie einer inneren Gefahr wehren. Vielleicht eine architektonische Reaktion auf das pagane Heiligtum, auf dem das Münster wohl erbaut wurde (s.o.)? Schwer zu sagen, zumal auch die Ansätze der Streben am Dachniveau solche Nischen und Figuren enthalten.

Die Strebebögen, die den Schub des Langhauses auf die Pfeiler ableiten, sind unterschiedlich ausgestaltet: während die unteren durchbrochen und mit einzelnen einfachen Passen dekoriert sind, sind die oberen massiv. Statisch würde man die umgekehrte Anordnung erwarten; eine Erklärung wäre, dass den Erbauern die detaillierte und daher wesentlich zeitraubendere Ausführung nicht mehr in den Fertigstellungsplan hineinpasste und daher für die oberen Streben aufgegeben wurde; ebenso denkbar ist, dass die oberen als weiter vom Betrachter entfernt und daher nicht mehr im Detail sichtbar als optisch weniger wichtig erachtet wurden. Auf den Strebebögen sind offenbar Teile des Systems geführt, das das Niederschlagswasser ableiten soll; in den Strebepfeilern befinden sich entsprechend ausgeführte Wasserspeier in reicher Dekoration (Greifenköpfe, Fischschwänze).

Figur einer Stifterin oder Mäzenin, flankiert von einer Ehrenwache. TGDD 71/ 1982, 54, Bild 1.

Am Ansatz des Turmhelmes des Vierungsturmes finden sich vier große und vier kleinere Nischen. Die großen enthalten figürliche Darstellungen, von denen zumindest eine durch Krone und Kopftuch als Fürstin erkennbar ist, andererseits durch ein Wappenschild und ein stabähnliches Rangabzeichen, das sie in der rechten Hand hält, ihre adelige Herkunft dokumentiert. Es handelt sich wahrscheinlich um die Figuren der Stifter bzw. der bedeutendsten Mäzene des Münsters in seiner Bauphase, die durch diese erhabene Positionierung dem "Himmel näher" sind. Flankiert werden diese Figuren von Recken in Rüstung, mit Rundschild und geschlossenem Visier.

Ob es sich dabei um konkrete historische Personen handelt oder um die symbolische Ehrenwache der prominenten Zentralfiguren, ist nicht entscheidbar. Detailliert ausgeführte Fialen krönen diese Nischen. Nochmals: Dieses Figurenwerk ist vom Bodenniveau aus nicht zu erkennen - es geht also nicht um ein figurales Lehrprogramm im Sinne einer "biblia pauperum", sondern um die Verewigung bestimmter Personen und deren Darstellung der allsehenden Transzendenz gegenüber.

Stilisierte Wächterfigur am Dach des Münsters. TGDD 71/ 1982, 60, Bild 5.

An neuralgischen Punkten (den Ecken des Gebäudes) sind Statuen von Rittern aufgestellt, die ihren Blick in das Umland des Baues richten und wohl für die Wach- und Wehrsamkeit der Gemeinschaft stehen, die das Münster errichten ließ. Diese Figuren sind - anders als die bereits erwähnten - aus Metall und hohl ausgeführt; wahrscheinlich waren sie in alten Zeiten poliert und reflektierten das Sonnenlicht. Dies wurde jedoch schon seit geraumer Zeit vernachlässigt, sodass sie nun matt und fast steingrau geworden sind.

Flaggenmasten bieten die Möglichkeit, das Münster zu großen Anlässen mit entsprechenden Farben zu schmücken.

Der Innenraum bietet wenig Überraschungen. In großen Nischen sind wieder Krüge (Öllampen?) zu sehen; kleine entenartige Wesen zieren den Brunnen; die Wasserzuleitungen sind in ihren Krügen verborgen, sodass sich die Fülle des lebensspendenden Elementes aus diesen in die Tiefe des Brunnens ergießen kann.

In anderen Nischen finden sich die auch an der Außenseite präsenten Ritterstatuen bzw. Metallrüstungen, wobei hier die Möglichkeit eingeräumt werden muss, dass es sich um eine bei Beschädigung oder Umbauarbeiten herabgenommene Rüstung der "Dachwächter" handelt, die dann wohl in die entsprechende Nische platziert wurde, um den "Servicezugang" zu den Katakomben zu verdecken.[25] Sollte dem so sein, ist es wichtig, festzuhalten, dass der Brustharnisch der Figur das Kruckenkreuz trägt, das das Wappen des untergegangenen Königreiches Jerusalem ziert und Hauptzeichen in den Farben des Ritterordens vom Heiligen Grab zu Jerusalem ist, ein Orden, der bis heute besteht. Eine - allerdings nicht zeitgenössische - Abbildung zeigt den Gründervater dieses Ordens, Geoffrey de Bouillon, mit exakt der Waffe, die die Rüstung im Münster trägt, einer Streitaxt mit Lanzenspitze und zugespitzem Haus, einer Vorform der späteren Hellebarde. Der zur Rüstung gehörende kleine Rundschild mit spitzem Schildbuckel weist auf einen Zeitraum nach 1200 hin; die sogenannten Buckler waren davor nicht in Gebrauch.

Weitere Großstatuen befinden sich an den in Haupt- und Nebenschiffe zeigenden Seiten der Pfeiler, die dafür eigene, den Diensten vorgelagerte Podeste aufweisen. Einige der Figuren sind nichtmilitärischer Natur, einige auch in vollem Harnisch leicht als Krieger erkennbar.

Auch die Deckengemälde stellen Szenen unter Verwendung hochmittelalterlicher Motive dar: Der Kampf eines Ritters im Plattenharnisch gegen einen landverwüstenden und menschenverschlingenden Drachen ist in der christlichen Ikonografie wohlbekannt (der Kampf St. Georgs mit dem Drachen, eine Allegorie für den Kampf des Heiligen gegen die Sünde; Abb. s.o.).

Im Blick vom Hauptportal nach Westen ist einerseits ein niedriger Lettner mit reich verzierter Brüstung zu sehen, andererseits auch ein diesem vorgelagertes Podest mit einer aufgebauten Konstruktion, die als Altar mit Sessio gedeutet werden könnte. Wenn dem so ist, ist das keinesfalls original, sondern erst in neuester Zeit (wohl in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts) eingefügt, da die Funktion des Lettners in der mittelalterlichen Liturgie genau die ist, den feiernden Klerus vom mehr oder weniger geduldeten Volk zu trennen. Die zahlreichen Bänke zumindest im Mittelschiff erlauben keinen Rückschluss auf eine noch andauernde liturgische Bespielung des Raumes; es könnten schlicht Bänke für das Auditorium bei Konzerten der gewaltigen Orgel sein.

Das Geläut

Im bereits oben beschriebenen Vierungsturm ist ein großer Teil, wenn nicht sogar das gesamte Geläut des Münsters untergebracht, das zwei Besonderheiten aufweist. Einerseits werden die Glocken noch mit Seilzug geläutet, was ihre Platzierung noch ungewöhnlicher erscheinen lässt und die Existenz einer Läutstube oberhalb des Vierungsgewölbes wahrscheinlich macht. Das ist insofern ungewöhnlich, als in den meisten Fällen der Vierungsturm architektonisch als relativ kleiner Dachreiter ausgeführt wird. Ein solcher würde jedoch statisch weder den hohen Turmaufbau selbst tragen noch bzw. schon gar nicht die wechselnde Last von mindestens zehn schwingenden Glocken abfangen können. Offenbar ist also der Vierungsturm tatsächlich ein solcher (s.u.).

Ein Teil des Geläutes des Münsters. TGDD 71/ 1982, 59, Bild 3.

Andererseits hängen die Glocken selbst an Doppeljochen, sodass immer zwei Glocken auf einmal erklingen. Über die Gründe dafür kann man nur mutmaßen; das Geläut des Vierungsturmes ist dennoch zumindest in der Lage, das Thema eines in Entenhausen bekannten Volksliedes zu spielen und muss daher zumindest über 5 gut unterscheidbare Tonhöhen verfügen. Darüber nachzudenken überlasse ich berufeneren Köpfen, die sich bereits verdienstvoll mit der Analyse von Musik in Entenhausen auseinandergesetzt haben.[26] In den entsprechenden Abbildungen sind nur drei Glockenpaare zu sehen, die sehr ähnliche Größen haben; die Existenz von insgesamt 10 sichtbaren Läuteseilen, die zum Teil auf eine höhere Etage hinaufführen, lässt auf weitere zumindest sieben Glocken oder Glockenpaare schließen, die zusammen ein gestimmtes Geläut von über einer Oktave Tonumfang ergeben könnten.[27]

Die Dachkonstruktion

Von besonderem Interesse ist auch die Dachkonstruktion. Anders als in allen bekannten Bauten der gotischen Stilrichtung ist das Dach nicht zweischalig (Regenschutz und innere Decke), sondern einschalig ausgeführt. Offenbar beherrschen die Steinmetzen der Münsterbauhütte eine hierorts unbekannte Technik, die es erlaubte, Steinplatten so zu bearbeiten, dass sie beim richtigen Einsetzen von oben Regen- und Windsicherheit, von unten hinreichende Fugenlosigkeit zum Aufbringen von Deckengemälden boten.

Eine Meisterleistung monastischer Ingenieurskunst: Die Konstruktion ist Gewölbe und regensichere Dachhaut in einem. TGDD 71/ 1982, 50, Bilder 6 und 7.

Dass dieses sinnreiche Konstruktionsprinzip sich bis heute bewährt, wird dadurch dokumentiert, dass es offenbar nicht nötig war, nachträgliche Überdachungen aufzubauen.[28] Diese Bauweise erspart natürlich viel Zeit und Mühe; vor allem aber das im Mittelalter wesentlich teurere Baumaterial, und möglicherweise war es diese Einsparung, die die Fertigstellung des aufwändigen Turmprogrammes ermöglichte. Denn mit insgesamt sieben massiven vollendeten Türmen mit Höhen von 117 m an den Portalen und 144 m in der Vierung ist das Münster nach meinem Kenntnisstand als einzigartig anzusehen.

Die Eindeckung der Türme ist nicht ganz so ungewöhnlich. Man verbindet zwar mit gotischen Kirchen gemeinhin durchbrochene Turmhelme, aber es sind durchaus auch gemauerte bzw. aus massivem Stein durchgeführte solche bekannt.[29] Diese haben aber in aller Regel keine Fialen und Krabben bzw. Kriechblumen; auch hier offenbart sich der kreative Geist der Planer dieses gewaltigen Baues.


Völlig außergewöhnlich ist die Konstruktion einer drehbaren Turmspitze mit Fiale. Dafür gibt es nur eine konstruktive Erklärung: die Spitze hat einst auch als Observatorium gedient, was auch erklärt, dass sie von innen erschlossen und mit einer Guckklappe versehen ist. Die bereits erwähnten monastischen Errichter werden immer wahrscheinlicher, denn nur sie hätten nicht nur Zugang zu den Schriftstellern der Antike, sondern auch eine für damalige Maßstäbe hohe Bildung mit einigem Hintergrundwissen zu astronomischen Beobachtungen haben können. Diese haben ja in der christlichen Tradition durchaus beachtlichen Stellenwert (Stern von Betlehem). Freilich kann hier noch von keinem Fernrohr die Rede sein, das erst später erfunden wurde: auf dem Rücken liegend notierten diese weisen Persönlichkeiten wohl ihre mit bloßem Auge gemachten Beobachtungen über viele Generationen hin.

An dieser Stelle sei auch der bis zu drei Meter breite Laufgang erwähnt, der die Dachkonstruktion vom Seitengewände trennt und überdeckt damit den Bereich hinter dem Triforium, der normalerweise mit von der Dachstuhlkonstruktion überspannt werden sollte.. Er diente wohl dazu, die nötigen Instandhaltungs- und Ausbesserungsarbeiten der Münsterbauhütte zu ermöglichen und wurde (wesentlich später) dazu verwendet, die riesigen Orgelpfeifen zu installieren, was die Existenz der „Falltüren“ erklärt, die in diese Orgelpfeifen führen – es handelt sich schlicht um Wartungsklappen, die nicht verschlossen wurden, um im Fall einer nötigen Reparatur Orgelpfeifen wieder zu entnehmen.

Die „riesige Orgel“ des Münsters

Anders als betreffend der Glocken können wir auf eine detailliertere Betrachtung der Orgel des Münsters nicht verzichten. Ein großes Instrument, nicht nach musikalischen, sondern nach baulichen Maßstäben, das einige Besonderheiten aufweist.

Nicht so "riesig", sondern für einen Bau dieser Größe geradezu mickerig: Der Hauptspieltisch der Münsterorgel. TGDD 71/ 1982, 57, Bild 5.

Die Orgel ist offenbar über dem Eingangsportal im Osten angeordnet. Ihre schiere Größe ist beeindruckend, denn einige Pfeifen haben einen Durchmesser von fast einem Meter und sind mit Wartungstüren versehen, durch die sie betreten werden können. Die Anzahl der Register ist hingegen für ein Instrument in einem Sakralbau dieser Größe erstaunlich gering; nur 15 Registerschalter und 15 Spielhilfen sind am Spieltisch zu sehen, der auch nur über zwei Manuale und ein Pedal verfügt.

Zum Vergleich: Die Orgel des Domes in meiner Heimatstadt Graz, die kleiner und zweifellos mit weniger finanziellen Mitteln ausgestattet ist als Entenhausen, hat vier Manuale und an die 80 Register.

Obwohl von der Bauart her zumindest die Spieltraktur elektrisch sein dürfte, erfolgt die Klangerzeugung klassisch durch Pfeifenwind, und zwar relativ starken im Gegensatz zu üblichen Orgeln. Es muss sich zumindest bei den größten Pfeifen um Zungenpfeifen handeln, da die Gegenwart von Personen in einer Orgelpfeife dieser Größe deren Klangeigenschaften zwar massiv beeinflusst, aber nicht völlig unterbindet – eine Labialpfeife könnte unmöglich klingen, wenn sich ein Objekt in ihrem Körper befindet. Daher lässt auch der Durchmesser und die Mensur (d.h. das Verhältnis von Durchmesser zu Länge der Pfeife) nicht auf die Tonhöhe, sondern höchstens auf die Klangfarbe schließen. Die tonerzeugenden Zungen, deren Tonhöhe ausschließlich durch die Dimension der schwingenden Teile determiniert wird, sitzen wahrscheinlich unterhalb des Gitters, durch das der Pfeifenwind nach oben weht und dann durch eine spitzbogige vergitterte Öffnung wieder entweicht.

Es dürfte sich dabei um durchschlagende Zungen und nicht um aufschlagende handeln, da diese einen wesentlich höheren Luftverbrauch als die aufschlagenden haben und daher eher geeignet wären, die Luftmenge in der Pfeife zu bewegen, die zum Heben eines Objekts bzw. einer Person notwendig ist. Hier wäre eine physikalische Berechnung von großem Wert, um die zugegebenerweise relativ spekulativen Überlegungen dazu zu untermauern oder in andere Bahnen zu lenken. Dafür spricht jedenfalls, dass die Wartungstür und das Gitter im Boden einen Zugang zum Stimmen der Pfeife (das durch Längenveränderung der Zunge erfolgen muss) ermöglicht; die dazu nötige Stimmkrücke ist nämlich an keinem Pfeifenfuß zu sehen. Ebenfalls dafür spricht, dass das Instrument offenbar ständig eingeschaltet ist - wahrscheinlich braucht es längere Zeit, bis die Magazinbälge so weit gefüllt sind, dass die Orgel bespielbar ist, so lange, dass sich ein Abschalten zwischen den einzelnen (liturgischen oder konzertanten) Einsätzen nicht rentiert; vielleicht würde es ja auch die Stimmstabilität negativ beeinflussen.

Die Prospektpfeifen der Münsterorgel haben Wartungsklappen auf der Spieltischseite. TGDD 71/ 1982, 63, Bild 5.

Völlig ungewöhnlich ist, dass die erwähnte Öffnung in der Pfeifenwand nicht nach vorne ins Kirchenschiff, sondern im Gegenteil zur Rückwand der Ostfassade zeigt, sodass der Hauptteil der Schallenergie nicht in das Mittelschiff, sondern in das Mauerwerk geleitet wird.

Der Vorteil dieser Konstruktion könnte sein, dass die mit Sicherheit enorm hohe Schallenergie der Pfeifenklänge nicht direkt wahrgenommen wird, sondern vom Mauerwerk aufgenommen würde, das dann selbst ins Schwingen gerät. Ein ähnliches Phänomen findet sich in der Pariser Kirche St. Trinité – das (allerdings mit einer aufschlagenden Zunge ausgestattete) Register Bombarde 16‘ im Pedal dieser Orgel bringt buchstäblich das Mauerwerk zum Schwingen, ein faszinierendes Erlebnis beim Besuch eines Orgelkonzertes ebendort. Der berühmte Komponist Olivier Messiaen, der Organist an dieser Kirche war, hat diesen Effekt in einige seiner Kompositionen eingebaut.

Abgesehen davon, dass Großorgeln auf Ostemporen in Kirchen erst ab dem 17. Jh. verwendet werden (Etablierung des Gemeindegesanges gegenüber dem monastischen Chorgebet, für das kleinere Schwalbennest- oder Chororgeln gebraucht wurden) verweist die Ausführung des Spieltisches auf eine elektrische oder elektropneumatische Traktur, die erst im ersten Drittel des 20. Jh. im Orgelbau eingeführt wurde. Es ist also davon auszugehen, dass diese Orgel eine relativ neue Konstruktion ist und dass im Zuge ihres Einbaues jene Klappen im Wandelgang oberhalb des Obergadens angebracht wurden, durch die später bekannte Persönlichkeiten einen unerwarteten Abgang erfahren. Nur durch sie war das Einbringen der riesigen Pfeifen in den Innenraum möglich. Ihr Vorgängerinstrument - oder zumindest eines ihrer Vorgängerinstrumente - wird wohl wesentlich kleiner und an einem anderen Platz in der Kirche aufgestellt gewesen sein.

Exkurs: Das fehlende Bild

In der BL zum ersten Mal in einer deutschen Übersetzung zu sehen: rechts das fehlende Bild, das hohen Erkenntniswert bietet in BL-OD 32, 39, Bild 4. Links auch im TGDD 71/ 1982, 53, Bild 4.

Nicht nur um das willkürliche Beschneiden von Bildern oder die Verhunzung der Kolorierung, sondern auch um das Weglassen einzelner Bilder hat sich der deutsche Verlag zweifelhafte Verdienste erworben. Das rechte der beiden folgenden Bilder fehlt schlicht in allen mir bekannten deutschen Ausgaben von TGDD:

Der dadurch eingesparte Platz wird durch einen Text von Erika Fuchs sinnreich gefüllt. Insofern kein exorbitant großer Verlust, aber immerhin einer, der den Leser und die Leserin der TGDD-Ausgaben um eine wertvolle Erkenntnis bringt: Offenbar ist die Nordseite des Münsters in relativ knappem Abstand von einer Autostraße flankiert, und der anschließend beim Absturz des Spürhundes Spürobold sichtbare Teich ist nordseitig; es stehen sogar einige Basen von Strebepfeilern mitten im Wasser. Die Quelle mit dem Brunnen südlich, der Teich nördlich, und das mit einem Wasserspiegel, der auf Oberflächenniveau ist – ein weiteres Rätsel, das es noch zu lösen gilt.

Deutung des Gebäudes

Die aufgezählten Fakten und wohlbegründeten Hypothesen lassen nach Abwägung aller Argumente, die dem Verfasser derzeit zugänglich sind, folgendes Bild als das wahrscheinlichste erachten:

  • Von den drei eingangs geäußerten Thesen zur Freifläche um den Bau ist die erste jedenfalls zu verwerfen. Zu vieles spricht für ein tatsächlich ehrwürdiges Alter des Münsters, wenn es auch tatsächlich "nicht ganz so alt ist, wie es aussieht". Die zweite scheidet tendenziell ebenfalls aus, schon weil das anfangs wohl noch relativ kleine Gemeinwesen mit Sicherheit keine so große Friedhofsfläche benötigt und daher mit den Profanbauten näher am Münster angesetzt hätte. Es bleibt die einzige Alternative, Hypothese 3: Das Münster von Entenhausen dürfte bereits vor der Erschließung des Geländes für eine profane Siedlung durch Emil Erpel als Teil einer großen monastischen Anlage errichtet worden sein, und zwar auf einem wenigstens noch zum Teil bekannten unterirdischen und wesentlich älteren Heiligtum der Urbevölkerung. Die Errichter waren mit Sicherheit Mitglieder einer monastischen Gemeinschaft, die zwar in allen geistes- und naturwissenschaftlichen Traditionen ihrer Zeit hoch gebildet, aber unangepasst im Hinblick auf kirchliche Hierarchien von weit her angereist waren, um dem Zugriff der Obrigkeit (vielleicht auch einem drohenden Anathema?) zu entgehen, aber dennoch ihrer klerikalen Berufung treu bleiben zu können.
  • Als Errichtungszeit kann die erste Hälfte des 16. Jahrhunderts angenommen werden: Die vorreformatorischen Eiferer hatten in Nordeuropa einerseits berechtigte Kritik an der römisch-katholischen Kirche, insbesondere im Hinblick auf die Vermischung von geistlicher und weltlicher Macht und die verwerfliche Praxis, aus den Ängsten der Menschen Kapital zu schlagen, geübt; eine Kritik, der sich auch einflussreiche Mitglieder von Orden anschlossen (so war Martin Luther selbst Augustiner-Chorherr). Andererseits konnte von den gebildeten und kunstsinnigen Gemeinschaften der großteils radikale Bildersturm der frühen Reformationszeit nicht mitgetragen werden. In Gegenden, in denen solches - meist verbunden mit Stürmen und Plünderungen auf lokale Klöster ungeachtet deren theologischer Nähe zu Anliegen der Reformatoren, mitunter unter Misshandlung oder gar Tötung von Ordensangehörigen - begab, hatte eine Gemeinschaft wie die oben angedachte auch die Option nicht, sich in die traditionell katholischen Länder des Südens zurückzuziehen, da dort in einer Gegenbewegung die römisch-katholische Kirche ihre Lehren weiter dogmatisierte und Abweichende unter dem Verdacht des Protestantismus standen.[30] Unter diesen Umständen blieb nur ein Ausweichen in noch unerschlossene Gebiete, in denen dann wohl die alte Abteikirche und das umgebende Kloster so gut wie möglich wieder errichtet, zugleich aber mit wesentlichen Neuerungen ausgestattet wurde.[31]


Mit dem Aufblühen Entenhausens begann die Gemeinschaft zu zerfallen; die Klosteranlage wurde abgetragen und die letzten verbleibenden Mönche zogen sich unter Rückgriff auf älteste kirchliche Traditionen in die Einsiedlerschaft zurück. Erhalten blieb lediglich der Sakralbau, der als solcher geschätzt und nicht profaniert wurde, aber von dem eine regelmäßige Nutzung in liturgischer Hinsicht auch nicht belegbar ist. Dies ist stimmig mit der gängigen Deutung der Entenhausener Gesellschaft als weitgehend säkularisierter mit kryptoreligiösen Zügen.

Dass eine solche säkularisierte Gesellschaft einen Bau in dieser Größe erhält und für seine einwandfreie Wartung auch durch eigenes Personal sorgt, ist Bevölkerung und Stadtverwaltung hoch anzurechnen. Es ist zu hoffen, dass dies so bleibt.


  1. TGDD 71/ 1982, 44, Bild 7. Es sei ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die – in der donaldischen Forschung wiederholt behandelten und zuletzt im Rahmen des 36. Kongresses in Basel von Wilfried Tost thematisierten – Kolorierungsprobleme an dieser Geschichte extrem deutlich sichtbar werden, aber nicht nur diese – auch die Bildausschnitte werden willkürlich geändert. Man fragt sich, was die Leutchen da so rauchen und ob das auch alles legal ist; vgl. Abb. 1a und 1b. Aufgrund des Umschlagverlustes kann ich leider nicht mehr rekonstruieren, aus welchem Jahr meine vollständige Variante der Geschichte stammt, die einigermaßen gut koloriert ist und aus der ich die in diesem Beitrag verwendeten Abbildungen entnehme. Ich bin für jeglichen Hinweis dankbar.
  2. Dieser Beitrag ist im Druck in DD 145 (2014) erschienen.
  3. Vgl. Der Donaldist, Sonderheft 50, 26, wo ausdrücklich auf Horsts nicht veröffentlichtes Tagungsreferat vom 27. Kongress verwiesen wird; mit Bernard von Chartres könnte man sagen: Ein Kleiner sieht weit, wenn er auf den Schultern von Riesen stehen darf.
  4. Der Autor arbeitet an einer ausführlichen Monografie zu „Sakralbauten in Entenhausen“, deren Erscheinen für 2025/26 geplant ist.
  5. Vgl. den entsprechenden Kurzbeitrag in der deutschen Ausgabe der Barks Library, XXVII, 126, in dem auf E.H.s Beitrag zu diesem Thema hingewiesen wird. Dank gilt Volker Coors für diesen Hinweis. Ein Blick auf den historischen Befund wirkt allerdings eher ernüchternd (vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Kathedrale_von_Reims, [1.8.2013]) – der Grundriss ist völlig anders als jener des Münsters; er wird offenbar erst im Zuge der Restaurierungsüberlegungen im 19. Jh. in die ähnliche Form gebracht – zu dieser Zeit bestand das Entenhausener Münster bereits längst, wie weiter unten nachgewiesen wird.
  6. Cassian, 18. Unterredung 10 (Bibliothek der Kirchenväter, vgl. http://www.unifr.ch/bkv/ [1.8.2013].
  7. Krüger, Jürgen, Art. „Münster“ in: LThK Bd. 7, 530.
  8. Da es in Entenhausen die Redensart gibt, dass sich „Gespenster in einer Kirche nicht halten“ (Dagobert Duck, TGDD 71/ 1982, 46, Bild 1), ist einerseits klar, dass Religion eine klare Funktion hat (Schutz gegen das Numinose) und trotz einer eventuell erfolgten Profanierung das Münster noch als Sakralbau bekannt und respektiert ist.
  9. Es ist an dieser Stelle darauf hinzuweisen, dass die sogenannte „Ostung“ von Sakralbauten lediglich die „Ausrichtung am Sonnenlauf“ bedeutet und im Detail die folgenden Optionen bietet: Häufiger: Altarbereich im Osten, Hauptportal im Westen angeordnet (Beleuchtung der Apsis durch die Fenster morgens, durch Portal und Portalfenster abends, Beispiel Stephansdom, Wien) oder Seltener: Hauptportal im Osten, Apsis im Westen (Beleuchtung der Apsis durch die Portalrose morgens, durch die Apsidenfenster abends, Beispiel Petersdom, Rom) Die Einhaltung der Ost-West-Orientierung erfolgt meist nicht am Kompass, sondern an den örtlichen Gegebenheiten des Sonnenaufganges entweder zur Tag-und-Nachtgleiche (Ostertermin!) oder zum Patrozinium, daher können relativ große Abweichungen möglich sein. Vgl. Kirchenbau im Mittelalter. Für den konkreten Fall des Entenhausener Münsters sprechen folgende Fakten für die Annahme der vorgeschlagenen Anordnung: Die Ducks besuchen das Münster rund um die Mittagszeit (kurzer Schattenwurf der Bäume) in der Vegetationsperiode, aber nach der Blütephase. Die Sonne steht also wohl im Südsüdwesten oder –osten. Wäre sie allerdings im Südosten, wäre der ganze Bau völlig ohne klassische Orientierung, was bei einem solch komplexen architektonischen Projekt nicht anzunehmen ist; wobei es auch dafür in Ausnahmefällen prominente Beispiele gibt, wie etwa die Kathedrale von Chartres oder Reims (Südwest-Nordost). Die Existenz einer Quelle (und damit von konstanter Feuchtigkeit) in einem oberirdischen Bauteil ist eher für die Südrichtung anzunehmen, da sie an dieser Position am längsten Licht und Wärme bekommt. Auch die negativen bauphysikalischen Auswirkungen von Wasser im Bauwerk wären so geringer.
  10. Ab dem Ende der napoleonischen Kriege verlieren Großbefestigungsanlagen, die schon mit Einführung der Artillerie in die Belagerungskriegsführung von schwindender Bedeutung waren, endgültig ihren Zweck. Kriege werden nun nicht mehr durch Belagerung von Städten, sondern durch Flächengewinn und -verlust entschieden, daher wird nach dieser Zeit in den meisten Städten Europas eine Schleifung der Wallanlagen vorgenommen.
  11. Nicht umsonst findet man aus diesem Grund Krypten unter dem Altarbereich von mittelalterlichen Großkirchen (s.u.). Vgl. dazu auch Wessely, Christian: Einfach katholisch. Was katholische Christen glauben und wie sie feiern, Tyrolia: Innsbruck 2010,  142.
  12. Der Friedhof rund um den Wiener Stephansdom wurde 1732 aufgelassen, woraufhin die beiden am Domvorplatz befindlichen Kapellen verfielen bzw. zugeschüttet wurden und in Vergessenheit gerieten. 1973 im Zuge des U-Bahn-Baues wiederentdeckt, wurde die Virgilkapelle ausgegraben und in das säkulare Ambiente der U-Bahn-Station Stephansplatz integriert.
  13. Vgl. dazu das Kapitel über Heilige, Magier und Einsiedler in Grote, Johnny, Who is Who in Entenhausen, S XXXX.
  14. Ebd., .
  15. Ebd., .
  16. Von Protagoras ist nur wenig überliefert; belegt ist einer seiner Kernsätze „Der Mensch ist das Maß aller Dinge“, der mit zum Kernbestand des Sophismus wird. Analog muss natürlich für das Anaversum die Ente (in ihrer Duckschen Erscheinungsform) als das Maß aller Dinge herangezogen werden.
  17. Innerhalb der Diskussion über die Körpergröße von Herrn Duck gibt es eine beträchtliche Spannweite, die sich zwischen Bruchteilen von Millimetern und 1,5 m bewegen [REFERENZEN AUS DD einfügen!!!] Ich entscheide mich hier für die Verwendung des letztgenannten Maßes, weil es mir gut ins Konzept passt. Zack!
  18. So etwa das Mausoleum der Galla Placidia  in Ravenna, um 450 errichtet.
  19. Toman, Gotik
  20. Beispiel St. Elisabeth, S. 110; Dom zu Köln (Baubeginn um 1230).
  21. Dazu vgl. DD Bd., "Der wackere Dorfschmied", Bericht über Kriegshandlungen und Abbildung des dabei verwendeten Geschütztypus.
  22. Für die Berechnung der Maße wurden die Abbildungen in der Geschichte "Das Münstermännchen" auf S. 44/7 (Totale), S. 45/1 oben (Südportal), S.  52/1 (Totale des Langhauses vom Ostportal aus) sowie S. 50/3 („Katakomben“) mit den Körpermaßen von Donald und Dagobert Duck in Beziehung gesetzt. Naturgemäß können weder alle Widersprüchlichkeiten in der gedachten Baukonzeption (z.B. unterschiedliche Ausführungen von Triforium und Obergaden bzw. perspektivisch verzerrte Darstellungen oder inkonsequente Raumkonzepte) dadurch aufgelöst werden; diese Unstimmigkeiten werden bewusst in Kauf genommen und als der Dynamik der Erzählung geschuldete dichterische Freiheit aufgefasst. 
  23. Ein bekanntes Beispiel ist die Katakombe des Calixtus in Rom, die eine Gesamtlänge von ca. 20 km erreicht.
  24. Ein ähnlicher Brauch am Trevi-Brunnen in Rom erbringt angeblich jährlich ca. 600.000 Euro. Sollte im Brunnen des Münsters auch nur ein Teil dieser Summe landen, würde dies erklären, warum das Modell des Münsters im geheimen unterirdischen Zentralraum eine derartige Größe annehmen konnte.
  25. Damit wäre eine Hypothese möglich, warum der Zugang zum "vergessenen" Teil der Katakomben nicht mehr bekannt ist: Im Rahmen der Kriegshandlungen wurde das Münster durch fehlgeleitetes Artilleriefeuer beschädigt; im Zuge dessen stürzte eine der Rüstungen vom Dach und wurde nicht mehr ebendort, sondern in einer bestehenden Nische aufgestellt, um die Servicetür zu verdecken, die daraufhin tatsächlich in Vergessenheit geriet.
  26. Vgl. Platthaus, Andreas: Entenhausener Aufstellung. Zur Instrumentierung von Musik, in:  Der Donaldist 36 (2012) 142, 37-54.
  27. Ein ähnliches ebenfalls handgezogenes Geläut findet sich z.B.im Inveraray Bell Tower, vgl.   http://www.inveraraybelltower.co.uk. Handgezogene Geläute haben den Vorteil, dass damit tatsächlich sehr komplexe Melodien gespielt werden können, allerdings ist dazu eingespieltes Personal vonnöten.
  28. Allerdings wird durch diese Methode notwendigerweise der Seitenschub des Gewölbes stark erhöht: Da die Aussensilhouette des Daches die eines normalen Giebeldaches, die innere Kontur die einer Kuppel ist, sind die Steinplatten nur an wenigen Stellen so dünn, dass sie mit einem Zugring von aussen zu öffnen sind. Ihre überwiegende Mehrzahl dürfte eine Stärke von bis zu einem Meter aufweisen.
  29. So z.B. die zwar deutlich kleinere, aber ansonsten zahlreiche Parallelen aufweisende Kirche St. Elisabeth in Marburg/Lahn.
  30. Insbesondere in den habsburgischen Ländern leistet diese sogenannte „Gegenreformation“ (richtiger: Katholische Reform) so gründliche Arbeit, dass weitgehend protestantische Gegenden wie die Steiermark in kürzester Zeit wieder rekatholisiert wurden, oft um den Preis enormer Verluste an Humankapital – Protestanten wurden häufig gezwungen, ihr Hab und Gut zu verlassen und nur unter Mitnahme einiger Fahrnis zu fliehen. Dies hat schon zu allen Zeiten zu einem merklichen Brain-Drain geführt, so etwa bei der Reconquista (Verlust des philosophischen Wissens der muslimischen Gelehrten), der Judenverfolgungen aller Zeiten, der Hugenottenvertreibung usw.
  31. Über den Herkunftsort der Gemeinschaft lässt sich nur spekulieren; möglich wäre z.B. http://romanik.setasign.de/details.php/c/178/e/326/Klosterkirche+Saint-Vigor+in+Cerisy-la-Forêt,+Manche,+Frankreich.