Wilhelm Busch: Die Fromme Helene, Siebentes Kapitel (Interimistische Zerstreuung).
Mienzi kann noch schnell enteilen,
Aber Munzel muss verweilen;
Denn es sitzt an Munzels Kopf
Festgeschmiegt der Sahnetopf.
Blindlings stürzt er sich zur Erd'.
Klacks! - Der Topf ist nichts mehr wert.
Aufs Büfett geht es jetzunder;
Flaschen, Gläser - alles runter!
Sehr in Ängsten sieht man ihn
Aufwärts sausen am Kamin.
Ach! - Die Venus ist perdü -
Klickeradoms! - von Medici!
Weh! Mit einem Satze ist er
Vom Kamine an den Lüster;
Und da geht es Klingelingelings!
Unten liegt das teure Dings.
Schnell sucht Munzel zu entrinnen,
Doch er kann nicht mehr von hinnen.
Dieses war der erste Streich, Doch der zweite folgt sogleich.
Max und Moritz (1865).
Und mit ſtummen Trauerblick
Kehrt ſie in ihr Haus zurück.
Dieſes war der erſte Streich
Doch der zweite folgt ſogleich.
Heinrich Heine
Du bist wie eine Blume, So hold und schön und rein
Heinrich Heine
Buchder Lieder:Die Heimkehr - XLVII
Dubist wie eine Blume,
Sohold und schön und rein;
Ich schau dich an, und Wehmut
Schleicht mir ins Herz hinein.
Mir ist, als ob ich die Hände
Aufs Haupt dir legen sollt,
Betend, daß Gott dich erhalte
So rein und schön und hold.
Thomas Mann
Gedankenarbeit
ThomasMann. (47. Aufl. 2001). KöniglicheHoheit.
Frankfurt a. M.: Fischer TB,p. 319/320.
„[...]
aber zur Verschmelzung, Gestaltung und inneren Verarbeitung dieses vielfachen Rohstoffes hatte er nur kurze, spruchartige Anleitung gegeben, und es war schwere Gedankenarbeit, die Klaus Heinrich zu leisten hatte [...]“.
Lehrsatz von der kurzfristigen Bilanzschwebe
ThomasMann. (47. Aufl. 2001). KöniglicheHoheit.
Frankfurt a. M.: Fischer TB, p. 288 bzw. p. 320
„
sah sich erbleichend einer schwebenden und kurzfristig fundierten [Staats-]Schuld gegenüber [...].“
„[...] die Lehre vom Finanzplan und Budget, von der Bilanz, dem Überschuß und namentlich dem Defizit [...]“
Anm.:
Dr. Fuchs erweist sich als wahre Dichterin: sie ver-dichtet die beidenTextstücke zu einer einzigen, flüssigen Sentenz.
„Mehrere Minister, Adjutanten in Zivil, zahlreiche Herren und Damen des Hofes, dieSpitzen der Gesellschaft, auch Gutsbesitzer aus der Umgegend waren zugegen.“
Mairennen bzw. Maitänzchen
ThomasMann. (47. Aufl. 2001). KöniglicheHoheit.
Frankfurt a. M.: Fischer TB, p. 170
„[eine] Einrichtung, die man unter dem Namen des >> Maikampfes<< kannte, — eines alljährlich zur Lenzzeit sich wiederholenden poetischen Turniers [...]“
Franz Grillparzer
Das Leben ein Traum
DerTraum ein Leben ist ein Drama oder „dramatisches Märchen“ von Franz Grillparzer, das 1834 im Burgtheater uraufgeführt wurde und somit zur Biedermeierepoche gehört.
[…] „welche Linie ist das denn?“ „Darübermöchte ich nicht sprechen“,
sagte Kesselhuth vornehm.
Du redest wie Du's verstehst
DreiMänner im Schnee.
Köln: Kiepenheuer & Witsch, S. 30.
Der Schneider meinte, das sei ihm, wenn man ihm die Bemerkung gestatten wolle, noch nicht vorgekommen. „Siereden, wie Sie es verstehen“.
Hans Christian Andersen
Augen groß wie Teetassen
Das Feuerzeug (1835)
Es kam ein Soldat auf der Landstraße daher marschiert: Eins, zwei! Eins, zwei! Er hatte seinen Tornister auf dem Rücken und einen Säbel an der Seite, denn er war im Kriege gewesen und wollte nun nach Hause. Da begegnete er einer alten Hexe auf der Landstraße: die war so widerlich. Ihre Unterlippe hing ihr gerade bis auf die Brust herunter. Sie sagte: "Guten Abend, Soldat! Was hast Du doch für einen schönen Säbel und großen Tornister! Du bist ein wahrer Soldat! Nun sollst Du so viel Geld haben, als Du besitzen magst!" "Ich danke Dir, Du alte Hexe!" sagte der Soldat. "Siehst Du den großen Baum dort?" sagte die Hexe und zeigte auf einen Baum, der ihnen zur Seite stand. "Er ist inwendig ganz hohl. Da mußt Du den Gipfel erklettern, dann erblickst Du ein Loch, durch welches Du dich hinablassen und tief in den Baum gelangen kannst! Ich werde Dir einen Strick um den Leib binden, damit ich Dich wieder heraufziehen kann, wenn Du mich rufst." "Was soll ich denn da unten im Baume?" fragte der Soldat. "Geld holen!" sagte die Hexe. "Wisse, wenn Du auf den Boden des Baumes hinunter kommst, so bist Du in einer großen Halle; da ist es ganz hell, denn da brennen über dreihundert Lampen. Dann erblickst Du drei Thüren; Du kannst sie öffnen, der Schlüssel steckt daran. Gehst Du in die erste Kammer hinein, so siehst Du mitten auf dem Fußboden eine große Kiste; auf derselben sitzt ein Hund; er hat ein Paar Augen, so groß wie ein Paar Theetassen. Doch daran brauchst Du Dich nicht zu kehren! Ich gebe Dir meine blaucarrirte Schürze, die kannst Du auf dem Fußboden ausbreiten; geh' dann rasch hin und nimm den Hund, setze ihn auf meine Schürze, öffne die Kiste, und nimm so viele Schillinge, als Du willst. Sie sind von Kupfer. Willst Du lieber Silber haben, so mußt Du in das nächste Zimmer hineingehen. Aber da sitzt ein Hund, der hat ein Paar Augen, so groß wie Mühlräder. Doch das laß Dich nicht kümmern! Setze ihn auf meine Schürze und nimm von dem Gelde! Willst Du hingegen Gold haben, so kannst Du es auch bekommen, und zwar so viel, als Du tragen willst, wenn Du in die dritte Kammer hineingehst. Aber der Hund, welcher dort auf dem Geldkasten sitzt, hat zwei Augen, jedes so groß wie ein Thurm. […] Dann ging er in die dritte Kammer. […] Der Hund darin hatte wirklich zwei Augen, so groß wie ein Thurm, und die drehten sich im Kopfe gerade wie Räder. […]“
Wilhelm Bornemann
Im Wald und auf der Heide
Im Wald und auf der Heide (1816)
Im Wald und auf der Heide,
da such ich meine Freude,
|: ich bin ein Jägersmann. :|
Die Forsten treu zu hegen,
das Wildbret zu erlegen,
|: mein' Lust hab' ich daran. :|
|: Hal-li, hallo, hal-li hallo,
mein' Lust hab' ich daran. :|
Trag' ich in meiner Tasche
ein Trünklein in der Flasche,
|: zwei Bissen liebes Brot, :|
brennt lustig meine Pfeife,
wenn ich den Forst durch streife,
|: da hat es keine Not. :|
|: Hal-li, hallo, hal-li hallo,
mein' Lust hab' ich daran. :|
Im Walde hingestrecket,
den Tisch mit Moos mir decket
|: die freundliche Natur;: |
den treuen Hund zur Seite,
ich mir das Mahl bereite
|: auf Gottes freier Flur. :|
|: Hal-li, hallo, hal-li hallo,
mein' Lust hab' ich daran. :|
Das Huhn im schnellen Zuge,
die Schnepf' im Zickzackfluge
|: treff ich mit Sicherheit. :|
Die Sauen, Reh' und Hirsche
erleg' ich auf der Pirsche,
|: der Fuchs läßt mir sein Kleid. :|
|: Hal-li, hallo, hal-li hallo,
mein' Lust hab' ich daran. :|
Und streich' ich durch die Wälder
und zieh' ich durch die Felder
|: einsam den vollen Tag,: |
doch schwinden mir die Stunden
gleich flüchtigen Sekunden,
|: tracht' ich dem Wilde nach. :|
|: Hal-li, hallo, hal-li hallo,
mein' Lust hab' ich daran. :|
Wenn sich die Sonne neiget,
der feuchte Nebel steiget,
|: mein Tagwerk ist getan, :|
dann zieh" ich von der Heide
zur häuslich-stillen Freude,
|:ein froher Jägersmann. :|
|: Hal-li, hallo, hal-li hallo,
mein' Lust hab' ich daran. :|
Die Wünschelrute ( I ) (1949), MM 5/1952, WDC 109
Bertolt Brecht
O Himmel strahlender Azur
Ballade von den Seeräubern (Seeräuber-Ballade)
Von Branntwein toll und Finsternissen
Von unerhörten Güssen nass
Vom Frost eisweißer Nacht zerrissen
Im Mastkorb von Gesichten blass
Von Sonne nackt gebrannt und krank
(die hatten sie im Winter lieb)
Aus Hunger, Fieber und Gestank
Sang alles, was noch übrig blieb:
O Himmel, strahlender Azur!
Enormer Wind, die Segel bläh!
Lasst Wind und Himmel fahren! Nur
Lasst uns um Sankt Marie die See!
Kein Weizenfeld mit milden Winden
Selbst keine Schenke mit Musik
Kein Tanz mit Weibern und Absinthen
Kein Kartenspiel hielt sie zurück.
Sie hatten vor dem Knall das Zanken
Vor Mitternacht die Weiber satt:
Sie lieben nur verfaulte Planken
Ihr Schiff, das keine Heimat hat.
O Himmel, strahlender Azur! …
Mit seinen Ratten, seinen Löchern
Mit seiner Pest, mit Haut und Haar
Sie fluchten wüst darauf beim Bechern
Und liebten es, so wie es war.
Sie knoten sich mit ihren Haaren
Im Sturm in seinem Mastwerk fest:
Sie würden nur zum Himmel fahren
Wenn man dort Schiffe fahren läßt.
O Himmel, strahlender Azur! …
Sie morden kalt und ohne Hassen
Was ihnen in die Zähne springt
Sie würgen Gurgeln so gelassen
Wie man ein Tau ins Mastwerk schlingt.
Sie trinken Sprit bei Leichenwachen
Nachts torkeln trunken sie in See
Und die, die übrig bleiben, lachen
Und winken mit der kleinen Zeh:
O Himmel, strahlender Azur! …
Sie leben schön wie noble Tiere
Im weichen Wind, im trunknen Blau!
Und oft besteigen sieben Stiere
Eine geraubte fremde Frau.
Die hellen Sternennächte schaukeln
Sie mit Musik in süße Ruh
Und mit geblähten Segeln gaukeln
Sie unbekannten Meeren zu.
O Himmel, strahlender Azur! …
Doch eines Abends im Aprile
Der keine Sterne für sie hat
Hat sie das Meer in aller Stille
Auf einmal plötzlich selber satt.
Hüllt still in Rauch die Sternensicht
Und die geliebten Winde schieben
Die Wolken in das milde Licht.
O Himmel, strahlender Azur! …
Sie fühlen noch, wie voll Erbarmen
Das Meer mit ihnen heute wacht
Dann nimmt der Wind sie in die Arme
Und tötet sie vor Mitternacht.
Und ganz zuletzt in höchsten Masten
War es, weil Sturm so gar laut schrie
Als ob sie, die zur Hölle rasten
Noch einmal sangen, laut wie nie:
O Himmel, strahlender Azur!
Enormer Wind, die Segel bläh!
Lasst Wind und Himmel fahren! Nur
Lasst uns um Sankt Marie die See!
Ludwig Uhland
Die linden Lüfte sind erwacht
Frühlingsglaube
Sammlung: Frühlingslieder
Die linden Lüfte sind erwacht,
Sie säuseln und weben Tag und Nacht,
Sie schaffen an allen Enden,
O frischer Duft, o neuer Klang,
Nun, armes Herze, sei nicht bang!
Nun muß sich alles, alles wenden.
Die Welt wird schöner mit jedem Tag,
Man weiß nicht, was noch werden mag,
Das Blühen will nicht enden.
Es blüht das fernste, tiefste Thal:
Nun, armes Herz, vergiß der Qual!
Nun muß sich alles, alles wenden.
Richard Wagner
Nü sollst Du müch befragen
Lohengrin, 1. Akt, 3. Szene
LOHENGRIN
Elsa, soll ich dein Gatte heißen,
soll Land und Leut ich schirmen dir, –
soll nichts mich wieder von dir reißen,mußt Eines du geloben mir: –
Nie sollst du mich befragen,
noch Wissens Sorge tragen,
woher ich kam der Fahrt,
noch wie mein Nam' und Art!
ELSA leise, fast bewußtlos.
Nie, Herr, soll mir die Frage kommen!
LOHENGRIN gesteigert, sehr ernst.
Elsa! Hast du mich wohl vernommen?
Nie sollst du mich befragen,
noch Wissens Sorge tragen,
woher ich kam der Fahrt,
noch wie mein Nam' und Art!
Schicksal, nimm Deinen Lauf
Rienzi, 3 Akt
Rienzi
Du rasest, Knabe! Stehe auf
und laß dem Schicksal seinen Lauf!
(Rienzi besteigt das Pferd und gibt das Zeichen zum Aufbruch.)
Adriano
(sich aufrichtend, mit schmerzlichem Grimm)
Nun denn, nimm, Schicksal, deinen Lauf!
(Der ganze Kriegszug verläßt unter Absingung des zweiten Verses der Hymne die Bühne, jedoch so, daß der erste Teil derselben noch auf der Szene gesungen wird.)
Heinrich Hoffmann
Ich esse keine Schrotkugeln! Nein, Schrotkugeln esse ich nicht.
Nach Heinrich Hoffmann: Der Suppen-Kaspar, aus: Der Struwwelpeter.
Ichesse keine Suppe! Nein! Ich esse meine Suppe nicht! Nein, meine Suppe ess’ ich nicht!
Dietrich Bonhoeffer
Stahl und Eisen mögen vergehen
unser eigener Dreck bleibt ewig bestehen!
Dietrich Bonhoeffer (1906-1945)
Traupredigt aus der Zelle (1943)
...
Es wäre eine Flucht in falsche Frömmigkeit, wenn ihr nicht heute zu sagen wagtet: es ist unser Wille, es ist unsere Liebe, es ist unser Weg. „Eisen und Stahl, sie mögen vergehen, unsere Liebe bleibt ewig bestehen.“ Dieses Verlangen nach der irdischen Glückseligkeit, die ihr ineinander finden wollt und die darin besteht, daß – mit den Worten des mittelalterlichen Liedes – eines des andern Trost ist nach Seele und Leib, dieses Verlangen hat sein Recht vor Menschen und vor Gott.