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Hinter diesem ''nom de guerre'' steht Christian Wessely, im Zivilberuf Fundamentaltheologe an der Universität Graz, in diesem Wiki für Wissenschaftstheorie und Methodologie verantwortlich. | Hinter diesem ''nom de guerre'' steht Christian Wessely, im Zivilberuf Fundamentaltheologe an der Universität Graz, in diesem Wiki für Wissenschaftstheorie und Methodologie verantwortlich. |
Version vom 8. März 2021, 14:29 Uhr
Der Ostsibirische Korjakenknacker ist eines der kuriosesten Federtiere aus dem Kontext von Entenhausen. Er stößt unnachahmliche Laute aus und beeindruckt durch ein buntes Federkleid.
Hinter diesem nom de guerre steht Christian Wessely, im Zivilberuf Fundamentaltheologe an der Universität Graz, in diesem Wiki für Wissenschaftstheorie und Methodologie verantwortlich.
Donaldische Fundamentaltheologie: Eine Apologetik
Ich bin Donaldist. Ich bin nicht NUR Donaldist, ich versuche auch einiges anderes zu sein (manchmal zu vieles gleichzeitig), aber ich bin eben auch Donaldist.
Nun betrachte ich den Donaldismus nicht als reine Privatsache, sondern arbeite durchaus auch im Rahmen meines Brotberufes an der Universität damit. In welcher Form dies geschehen kann, ohne den klassischen wissenschaftlichen Anspruch meines Tätigkeitsfeldes aufzugeben und ohne in einen nebulosen Bereich der Beliebigkeit abzudriften, das soll im Folgenden kurz skizziert werden.
Was ist Fundamentaltheologie?
Die Fundamentaltheologie ist dem Namen nach eine relativ junge Disziplin. Der Sache nach ist ihr Anliegen von ehrwürdigem Alter, da allerdings noch als Apologie.[1] Doch der Reihe nach:
Als wahrscheinlicher Zeitraum der überlieferten Passion und Auferstehung des Jesus von Nazaret, des Christus, wird heute allgemein die Phase zwischen 27 und 30 nach Christus angesehen. Von jenem Ereignis berichten uns lediglich Erzählungen von Sekundärzeugen (mit hoher Wahrscheinlichkeit war keiner der Evangelisten Augenzeuge) und Sentenzen, die in der erhaltenen Briefliteratur des Neuen Testaments, vor allem in den paulinischen Schriften, überliefert werden und die vom Genus her Bekenntnisse und liturgische Formeln darstellen. Das ist auch nicht weiter verwunderlich, lebte doch die früheste Gemeinde in einer unmittelbaren Erwartung der Wiederkunft dieses Jesus als Weltenrichter, der sog. Parusie. Es stand also nicht die Argumentation gegenüber Außenstehenden, sondern die Memoria der „Heiligen“ (im Sinne der Gläubigen) im Zentrum; insofern ist klar, dass es primär um Liturgie ging, für die die erwähnten Sprachgenera zentral sind.
Mit dem Sterben der unmittelbaren Zeugengeneration änderte sich dies. Man kann davon ausgehen, dass in den Jahren nach der Zerstörung Jerusalems 70 n. Chr. keiner der Erstzeugen mehr am Leben war; andererseits hatte sich auch in dieser doppelten Krisenzeit (Untergang Jerusalems und des Tempels – dramatisch für eine Religion, die zu einem nach wie vor großen Teil aus Juden bestand – und ausbleibende Parusie) der christliche Glaube bewährt, in dem Sinne, dass er den Menschen leben half, Glauben, Hoffnung und Liebe vermittelte.[2] Die Gemeinden sahen sich einer völlig neuen Situation gegenüber: Es musste nach innen und nach außen neu argumentiert werden – nach innen, um den Unklarheiten und Zweifeln angesichts der ausbleibenden Parusie zu begegnen; nach außen, um sich den Herausforderungen in der paganen Umwelt zu stellen, die ja auf jahrhundertealte und ehrwürdige philosophische Traditionen zurückgreifen konnte (etwa die Stoa oder die der Aristoteliker und Pythagoraeer).
Etwa in der Mitte des 2. Jahrhunderts fand der erste uns überlieferte Versuch statt, die christliche Lehre vom Tod und der Auferstehung des Gottessohnes um des Heiles der Welt willen philosophisch zu systematisieren und Dritten gegenüber zu argumentieren: Justin der Apologet (ca. 110-165) begründete damit eine Fachdisziplin, die zunächst als „Apologetik“ und später als Fundamentaltheologie bezeichnet wurde. Dem Ziele nach hat sie sich bis heute nicht sehr verändert – in ihrem Zentrum steht das Anliegen, die christliche Lehre im Kontext der jeweiligen Lebenswelt einer konkreten Zeit – also unter Berücksichtigung der soziologischen, wirtschaftlichen, wissenschaftlichen und philosophischen Gegebenheiten – so darzustellen, dass sie von den jeweiligen Partnern im kommunikativen Prozess als grundsätzlich vernunftfähig und nachvollziehbar anerkannt wird. Es geht also aus Sicht der Fundamentaltheologie nicht um einen Prozess der zwingenden Beweisführung, der notwendig den Glauben des jeweils anderen zur Folge hätte, sondern um ein Begründungsverfahren, das dem jeweils anderen ermöglichen soll, den Standpunkt des Christen, der Christin anzuerkennen. Daraus ist zu ersehen: Fundamentaltheologie hat nichts mit Fundamentalismus zu tun, sondern ist das genaue Gegenteil: Der Versuch, zur offenen Kommunikation und zur gegenseitigen Anerkennung zu befähigen.[3]
Donald Duck und seine Folgen
Ich muss etwa sieben oder acht Jahre alt gewesen sein, da bekam ich bei einem Freund ein Comicheft in die Hände. Aufgewachsen in einer Familie, die zwar Lesen hoch schätzte und förderte, aber in der es schlicht aus Geldmangel keine Comics gab, faszinierte mich das Bild einer Ente – ich kannte diese Tiere ja von unserem Hof – die Kleidung trug, Hände statt Flügel hatte und einen Hund einzufangen versuchte. Meine Großmutter, sehr um mein Wohl und um mehr bemüht, aber der Sache völlig unkundig, versorgte mich daraufhin mit einigen – gebrauchten – Comics, allerdings aus einer anderen Richtung: es waren Zeichnungen von Rolf Kauka, dem zweifellos verdienstvollen und bemühten, aber im qualitativen Vergleich chancenlosen Schöpfer von „Fix und Foxi“. Das Comicinteresse erstarb vorerst, um nur wenige Jahre später – ich war schon in der ersten Klasse der Hauptschule – mit aller Macht zurückzukehren: Wieder war es im Haus eines Freundes, in dem ich „Familie Duck auf Nordpolfahrt“ zu lesen bekam. Schlagartig weckten die liebevollen Bilder und die kreative Sprache mein erneuertes Interesse – das nie wieder ganz einschlief, wenn es auch noch etliche Jahre dauerte, bis sich mir die ästhetische Differenz zwischen den kanonischen (den von Carl Barks gezeichneten und Erika Fuchs übertragenen), den deuterokanonischen (andere Zeichner, aber Fuchs-Texte oder Texte in ihrem Stil) und apokryphen Werken (lieblose Kritzelei und lustloses Geplapper) in vollem Umfang offenbarte.[4] Seitdem hat mich die Liebe zu den Charakteren Entenhausens in seiner kanonischen Variante nicht mehr losgelassen, ohne auf den namensgebenden Charakter Donald Duck beschränkt zu sein. Donaldismus ist mehr: er befasst sich mit dem fiktiven Biotop „Entenhausen“, mit den dort angesiedelten „Personen“ (?) und vor allem mit ihren Verhaltensweisen und ihrer Einbettung in ihre eigene, gar nicht so kleine Welt.
Das Universum, das Barks und Fuchs geschaffen haben, ist von anderer Seite treffender und umfassender beschrieben worden, als es für mich möglich ist. Ich kann an dieser Stelle nur bekräftigend darauf hinweisen, dass es wohl – paradoxerweise - die Menschlichkeit dieses Erlebnisraumes ist, die ihn liebenswert macht: Weit jenseits der geradezu unmenschlichen Perfektion von Superhelden oder der Sterilität einer völlig fiktionalen Umgebung sind die handelnden Charaktere weder frei von Fehlern noch ohne Vorzüge, sind vom Schicksal gebeutelt und von Kontingenz bedrängt: Es sind „Enten wie du und ich“, Identifikationsfiguren, die doch immer genau so viel Hoffnungspotential erleben, dass sie durch alle Rückschläge hindurchgehen und weiter existieren können. Es liegt nahe, sich dieser Eigenschaften nicht nur aus persönlicher Vorliebe, sondern auch aus didaktischen und wissenschaftlichen Gründen zu bedienen.
Eine Schnittstelle: Theologischer Donaldismus (oder donaldische Theologie?)
Diese Überschrift ist natürlich unsauber; ich habe sie gewählt, weil sie gut klingt und mir ins Konzept passt (Zack!). Wie könnte man das Anliegen besser präzisieren? Wie kann man erklären, in welcher Hinsicht Donaldismus und Fundamentaltheologie (s.o.) sinnvoll verbunden werden können, nämlich nach einem Sinnbegriff, der nicht nur ein individueller und persönlicher, sondern zumindest dem Potential nach ein allgemeiner und nachvollziehbarer ist? Es sei eine Aufzählung der möglichen Zugänge zu diesem Thema versucht.
Didaktischer Einsatz von Figuren
Die Bekanntheit von Disney-Charakteren und ihr Identifikationspotential ist allgemein sehr hoch; in besonderer Weise gilt das für das Kernpersonal Entenhausens – also Donald, seine drei Neffen, Onkel Dagobert, Daisy oder Gundel Gaukeley. Sie als Auflockerung in Lehrveranstaltungen einzusetzen ist grundsätzlich sinnvoll und zumal verführerisch, weil sie in unterschiedlichsten Posen und mit unterschiedlichen Gesichtsausdrücken gezeichnet werden. Problematisch ist hier die urheberrechtliche Situation: Während das Urheberrechtsgesetz für Zwecke der Forschung im Bereich des Einsatzes von Bildzitaten relativ großzügig ist, ist das für den Bereich der Lehre so nicht der Fall. Da nun gerade an der Universität Forschung und Lehre zutiefst miteinander verbunden sind, ist ein derartiger Einsatz (und zwar ausschließlich live im Hörsaal, nicht aber in gespeicherten und allgemein zugänglichen Lehrmaterialien) durchaus möglich, aber im Detail davon abhängig, ob ein organischer Zusammenhang mit den vorgetragenen Inhalten besteht. Wenn dies gegeben ist, dann ist mitunter ein einzelnes Bild oder eine kurze Bildfolge wirkungsvoller als jede lange Erklärung.
Erläuterung von Sachverhalten
Damit ist schon ein Bogen zum nächsten Potential geschlagen: Mitunter ist es möglich, einen philosophischen Ansatz durch eine einfache Duck-Geschichte zu verdeutlichen. Als Beispiel sei hier die Theorie der mimetischen Rivalität genannt, die von René Girard[5] als soziologische Erklärung für das latente Gewaltpotential im Sinne einer anthropologischen Konstante entwickelt wurde. Wenn in „Der reichste Mann der Welt“ der Maharadscha von Zasterabad in einen Wettstreit mit Dagobert eintritt, was die Errichtung eines größeren Denkmals des Stadtgründers von Entenhausen betrifft, so ist dem Leser klar, dass er letztlich scheitern muss. Aber interessant bleibt die Schilderung des Mechanismus, der ihn dazu bringt: Die schiere Nachahmung (Mimesis) bei gleichzeitiger Überhöhung des Vorbildes ist die Triebfeder von Dagobert und dem prunkliebenden Potentaten; das Objekt (das Denkmal) ist letztlich unwichtiges Beiwerk und dient nur noch als Kristallisationspunkt. Dass der Unterlegene schließlich noch seiner Kleider beraubt und für die Entsorgungskosten der monströsen Denkmäler haftbar gemacht wird, zeigt nebenbei die Wirkung des ebenfalls von Girard formulierten, aber der Sache nach wesentlich älteren Sündenbockmechanismus sinnfällig auf.[6] Und derlei illustrative Beispiele gäbe es mehr – einfach, da den Ducks nichts Menschliches fremd ist.
Religionssoziologische Fragestellungen
Nicht zuletzt soll hier vom religionssoziologischen Aspekt die Rede sein: In den Barks/Fuchs-Werken drückt sich in zweifacher Hinsicht eine Lebenssituation aus: einerseits die der Texterin und des Zeichners, ein Bild, dessen innere Differenziertheit erst wahrgenommen werden kann, wenn man auch die nicht übersetzten englischsprachigen Originalstrips mit in Betracht zieht. Die von Barks fast völlig säkular entworfene Bildwelt (es gibt einige wenige Sakralgebäude im Stadtbild und nur wenige Hinweise auf unmittelbar religiös motivierte Feste und Anlässe) wird durch Fuchs in den Texten neu kontextualisiert: in Redewendungen („Ach du lieber Gott“), in sozialen Bezügen („Patentante“) und in Ortshinweisen („der Papst in Rom“) kommt unorganisierte und organisierte Religion mehr zur Sprache als das im Original der Fall ist. Dieses Feld ist – vor allem komparativ – noch wenig erforscht, aber aufgrund der abgeschlossenen Quellenlage prospektiv gut bearbeitbar. Andererseits sind die Barks/Fuchs-Werke natürlich auch in eine bestimmte Gesellschaft hineingeschrieben; analoges gilt auch für die ihnen folgenden deuterokanonischen und apokryphen Werke: sie sagen etwas über ihr Zielpublikum aus, denn sie sind letzten Endes verfasst worden, um verkauft zu werden. Man kann füglich davon ausgehen, dass die Akzeptanz bestimmter Figuren, Figurenkonstellationen und Handlungsstränge wesentlich in die Zeichenaufträge Eingang gefunden haben. Anders gesagt: Die Geschichten aus Entenhausen sagen etwas über die konkrete Gesellschaft in ihrer Verfasstheit hier und jetzt aus, was aufgrund der Fortsetzungspolitik potentiell nach vorne offen ist und ein fast unendliches Feld darstellt – freilich nur für jene, die den puristischen Anspruch an kanonische Berichte aus Entenhausen hintanstellen.
Insofern ist die Arbeit des Wissenschaftlers am Sujet „Entenhausen“ in mehrfacher Hinsicht sinnvoll investierte Zeit; immer unter der Voraussetzung, dass im eigenen Fachgebiet und unter sauberer Methodik geforscht wird – aber gerade das sollte ja eine Selbstverständlichkeit auch und gerade für ernsthafte Donaldistinnen und -isten sein.
- ↑ Vgl. 1 Petr 3,15.
- ↑ Vgl. 1 Kor 13.
- ↑ Als allgemeine Einführung in das Thema empfiehlt sich: Wessely, Christian: Einfach Katholisch. Was katholische Christen glauben und wie sie feiern, Innsbruck: Tyrolia 2013.
- ↑ Über die Quellenlage und deren zuordnung bzw. die Kanonizität gibt es eine rege Diskussion unter den Fachleuten.
- ↑ Vgl. Das Heilige und die Gewalt, Düsseldorf 2012
- ↑ Vgl. Lev 16,20ff.